Wiener Zeitung:Herr Professor Hoppe, alle sozialistischen Theorien gehen davon aus, dass ein schrankenloser Kapitalismus durch einen starken Staat gebändigt werden müsse. Haben Sie denn keine Bedenken, dass die Arbeitsbedingungen unter einem ungehemmten Kapitalismus leiden könnten?

Hans-Hermann Hoppe: Kapitalismus bedeutet Privateigentum und Produktion. Alle Errungenschaften der Zivilisation verdanken wir dem Kapitalismus. Staaten sind hingegen Besitzer von Eigentum, das sie nicht selber hergestellt haben. Staatseigentum beruht auf Steuern und Enteignung. Daher tragen Staaten nicht zur Zivilisation bei, sondern sind parasitär. Insofern müssen wir uns eher vor einem Etatismus fürchten.

"Auf allen Gebieten ist Wettbewerb gut, Monopole hingegen schlecht." - Hans-Hermann Hoppe im Gespräch mit "Wiener Zeitung"-Mitarbeiter Stefan Beig.


Foto: Wagih Felbermayer
"Auf allen Gebieten ist Wettbewerb gut, Monopole hingegen schlecht." - Hans-Hermann Hoppe im Gespräch mit "Wiener Zeitung"-Mitarbeiter Stefan Beig.

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Warum soll unsere Zivilisation alle Errungenschaften dem Kapitalismus verdanken, wenn viele dieser Errungenschaften primär keinen ökonomischen Wert hatten?

Personen, die Wohlstand erworben haben, sind in der Geschichte als Mäzene aufgetreten, indem sie Wissenschaft und Künste unterstützt haben. Solche Wohltaten können der Menschheit aber nur dann zugutekommen, wenn es bereits Wohlstand gibt. Andererseits kommt es vor, dass ökonomisch nicht einträgliche Erfindungen zum falschen Zeitpunkt unterstützt werden. Technologien werden staatlich gefördert, lange bevor sie wirtschaftlich einsetzbar sind. Das halte ich nicht für sinnvoll. Warum soll man etwas mit Zwangsabgaben fördern, was vielleicht erst in 50 Jahren einsetzbar ist?

In Ihren Büchern beschreiben Sie den Staat als Ausbeuter, der Staatsbürger enteignet. Das klingt, als würden Sie Karl Marx´ Kapitalismus-Kritik auf den Staat übertragen. Marx zufolge steckt der Kapitalist einen Teil des Betrags, den der Arbeitnehmer erwirtschaftet, in die eigene Tasche, um Profit zu machen. Sie werfen diese Form der Enteignung also nun dem Staat vor.

Dass der Kapitalist nicht ausbeuterisch ist, erkennt man daran, dass der Arbeiter mit dem Arbeitsverhältnis zufrieden ist. Niemand hindert ihn daran, selber Kapitalist und selbständig zu werden. Der Arbeiter akzeptiert, dass er einen bestimmten Lohn erhält. Und kein Konsument wird gezwungen, die vom Kapitalisten hergestellten Güter zu den geforderten Preisen zu kaufen.

Beim Verhältnis des Staats zu den Staatsbürgern herrscht hingegen Ausbeutung, weil diese Beziehung unfreiwillig ist. Die Menschen werden zu Steuerabgaben gezwungen, auch wenn sie mit den staatlichen Leistungen nicht einverstanden sind.

Verlangt der Kapitalismus nicht nach Schutz von Arbeitnehmerrechten? Denken wir etwa nur an Länder, in denen Kinderarbeit herrscht.

Um Wohlstand zu erarbeiten, benötigt es eine bestimmte Zeit. In Europa wurde lange Zeit Kinderarbeit zugelassen. Auch gab es vor der Entstehung des Kapitalismus eine ungeheuer hohe Kindersterblichkeit. Erst mit Entstehung des Wohlstands verbesserten sich die Lebensbedingungen der ärmsten Menschen.

Wären nicht angesichts der Ausbeutung von Arbeitskräften staatliche Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern sinnvoll?

Wie sollen diese Maßnahmen denn aussehen? Indem man Kinderarbeit verbietet? Das würde verhindern, dass Kinder einen Beitrag zum Familieneinkommen leisten, und die Not der Familien würde zunehmen. Europäische Schutzmaßnahmen würden in Ländern wie China und Indien zu Katastrophen führen. Sie hätten auch in Europa noch im 18. Jahrhundert zu Katastrophen geführt. Mit ihrer Einführung wurde Europas Wohlstandswachstum blockiert und den Familien mit vielen Kindern geschadet.

China und Indien brauchen mehr Kapitalakkumulation. Um das zu erreichen, müsste man die Bedingungen für Arbeitgeber verbessern, die in einen Wettbewerb miteinander eintreten. Gerade in Ländern mit niedriger Kapitalakkumulation, wie China, wo der Kommunismus herrschte, waren Eigentumsrechte nicht gut geschützt.

Aber braucht man nicht staatliche Instanzen, die diesen Wettbewerb kontrollieren?

Zunächst einmal ist der Staat selbst kein fairer Wettbewerber, denn sein ganzes Eigentum beruht auf Zwangseinnahmen. Er ist selber quasi eine kriminelle Organisation, verlangt aber, dass die Bürger nach anderen Spielregeln funktionieren sollen. Der Wettbewerb reguliert sich selbst. Profit zu machen ist ein Zeichen dafür, dass man den Konsumenten etwas Gutes getan hat. Unternehmer müssen im Wettbewerb permanent die Kosten senken, was den Konsumenten zugute kommt. Der Wettbewerb ist auch der beste Garant dafür, dass er fair ist. Sobald es unehrliche Machenschaften gibt, besteht für andere Unternehmer der Anreiz, dies aufzuzeigen und die Konsumenten zu einem anderen Kaufverhalten zu bewegen.

Die gegenwärtigen Lebensverhältnisse verdanken wir demnach dem Kapitalismus, nicht dem Sozialstaat!?

Der Sozialstaat ist der Wohlstandsvermehrung immer abträglich. Er ist eine Bestrafung produktiver Tätigkeiten. Menschen, die nicht produktiv sind, werden für arbeitsfreies Verhalten belohnt. Das Ergebnis ist, dass der Gesamtwohlstand der Bevölkerung niedriger ist, als er ohne Sozialstaat wäre.

Karitative Tätigkeit ist etwas ganz anderes. Wer karitative Leistungen empfängt, hat keinen Anspruch darauf. Wer karitativ tätig ist, wird nach wie vor produktiv tätig sein, weil er sich selber für diese Hilfeleistungen entschieden hat. Wenn ich hingegen zu Hilfeleistungen für Ärmere gezwungen werde, hat das einen negativen Anreiz auf meine eigene produktive Tätigkeit. Auch auf Seiten der Empfänger ist der Anreiz geringer, aus der tristen Situation herauszukommen.