Wird man mit der Stadtgeschichte Wiens konfrontiert, wecken zwei wichtige Ereignisse, welche die historische Entwicklung der Stadt nachhaltig geprägt haben, besonderes Interesse, nämlich: Die beiden Türkenbelagerungen, im Jahre 1529 unter Sultan Süleyman und 1683 unter Kara Mustafa Pascha.

Wien war zu jener Zeit die letzte, für die türkischen Heere uneinnehmbare Stadt des Abendlandes und dies bedeutete das Ende ihres weiteren Vordringens nach Mittel- und Westeuropa. Sie hinterließen Spuren, die heute längst ein Teil der heimischen Kulturgeschichte sind. So verbrachte man bereits 1664 in Wiens erstem Kaffeehaus türkischer Art gemütliche Stunden und genoss Elemente türkischer Musik, die der unsterbliche W.A. Mozart in seinem türkischen Marsch integrierte und so die türkischen Einflusse zu vertrauten Klängen machte.

Auch in anderen Bereichen mischten sich die türkisch-österreichischen Kulturen, prägten einander und schufen aus Altem Neues. Selbst in der Mode schmückte man sich hierzulande mit "fremden" Federn. Türkische Elemente hielten nicht nur hier, sondern auch in militärischen Belangen Einzug. Noch im Ersten Weltkrieg kämpften die Husaren, die berittenen Soldaten mit ihren gebogenen Säbeln im kaiserlichen Heer. Ihr Entstehen geht zurück auf die schnelle türkische Reiterei des 15. und 16. Jahrhunderts.

Aus den furchteinflößenden Gegnern des 16. und 17. Jahrhunderts wurden Anfang des 20. Jahrhunderts Verbündete. Das osmanische Reich, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich fochten gemeinsam gegen die Entente-Mächte.

Aber auch in der Türkei findet man noch heute viele österreichische Spuren, die erste Medizinische Hochschule Galatasaray ist nur ein Beispiel dafür. 1839 wurde sie in Istanbul nach dem Vorbild des Wiener Josephinums und mit österreichischen Ärzten gegründet. Auch der "Rote Halbmond", das türkische Äquivalent zum "Roten Kreuz" wurde 1864 von dem aus Wien stammenden Arzt Karl Hammerschmidt unter seinem neuen Namen Abdullah Bey gegründet.

Anfang des 20. Jahrhunderts ereignete sich im Gebirge Palandöken bei Erzurum in Nordostanatolien ein amüsant anmutendes Ereignis: Österreichische Unteroffiziere gestalteten den ersten Skikurs für das osmanische Heer, heute zählt Palandöken zu einem der wichtigsten Skigebiete in der östlichen Türkei. Und bewundert man den türkischen Präsidentenpalast, betrachtet man das Werk eines Österreichers: Architekt Clemens Holzmeister prägte ab 1927 das Stadtbild Ankaras nachhaltig mit zahlreichen Bauwerken.

Ein Teil der nationalen

Identität Österreichs

Die Geschichte ist ein sich ständig entwickelnder Prozess, wie man auch in der jüngeren Vergangenheit erkennen kann: Bereits in den ersten Jahren der 2. Republik kamen türkische Gastarbeiter nach Österreich, die in den Betrieben dringend gebraucht wurden. Mittlerweile lebt die dritte und sogar schon die vierte Generation in Österreich und bildet einen Teil der nationalen Identität dieses Landes. Laut Statistik Austria erhielten im Jahre 2002 die stolze Zahl von mehr als 12.000 Türken die österreichische Staatsbürgerschaft, wodurch sich die Zahl der Österreicher mit türkischer Abstammung auf ca. 80.000 Personen erhöhte. In Österreich leben über 200.000 Menschen türkischer Abstammung.

Aufgrund dieser Entwicklung gibt es ungefähr 180 türkische Vereine in ganz Österreich, die in einem Dachverband zusammengefasst sind. Die Vielzahl dieser Organisationen repräsentiert auch die Interessen ihrer Mitglieder, wie beispielsweise der österreichisch-türkische Elternverein, der türkische Handelsverein, sowie verschiedene Sportvereine, ebenso wie soziale Vereine, die in Österreich lebende Türken auf verschiedene Art und Weise informieren.

Der mächtigste Verein im Dachverband ist der in Wien beheimatete internationale österreichisch-türkische Presseverein (ATP) unter dem Vorsitz von Birol Kilic, der von seinem Bestehen an als Generalsekretär und nunmehr als Mitglied der Disziplinkommission ehrenamtlich tätig ist.

"Neue Heimat"

"Seriöse türkische Vereine kümmern sich um soziale Anliegen von in Österreich lebenden Türken. Diese Menschen haben oft viele Probleme, das beginnt beim Erlernen der deutschen Sprache bis hin zu Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen," listet Birol Kilic die vielfältigen Aufgaben jener Vereine auf. "Wir bemühen uns bei unseren Landsleuten, Österreich als ständige und neue Heimat zu vermitteln. Wir wollen vermeiden, dass sich bei den Menschen falsche Auffassungen, wie 'eines Tages werden wir wieder in die Türkei zurückfahren,' etablieren. Es soll den Türken hierzulande bewusst gemacht werden, dass nun Österreich ihre ,neue Heimat' mit vielen Rechten aber auch mit Pflichten ist. Sie leben, arbeiten hier und zahlen ihre Steuern. Sie sollten ein integrierter Bestandteil der Bevölkerung dieses Landes sein," beschreibt Obmann Kilic die wesentlichen Punkte der Überzeugungsarbeit, die türkische Vereine mit sozialen Aufgaben hierzulande leisten müssen und er betont: "Wir können nicht alles von ÖsterreicherInnen erwarten, wir müssen uns bemühen, die österreichische Kultur, Mentalität und Sprache zu verstehen und das beste davon zu übernehmen. Es gibt beispielhafte Eigenschaften von ÖsterreicherInnen, die uns sehr bereichern können, ohne Gefahr zu laufen, deshalb assimiliert zu werden."