Die Zeit war reif für einen weiblichen "Bischof" bei den Protestanten. Gertraud Knoll wurde am 28. April 1994 Österreichs erste Superintendentin. Schon neun Jahre zuvor war sie die erste Pfarrerin des Burgenlandes, dann wurde sie von ihrer Diözese an die Spitze gewählt. Die streitbare Gertrude Knoll setze sich für alle Menschen unabhängig von Herkunft und Religion ein. Über Landesgrenzen hinweg wurde sie durch ihre Predigt am Grab der vier Roma bekannt, die durch eine Sprengfalle von Franz Fuchs getötet worden waren. So verwunderte es nicht, dass sie 1999 beim Deutschen Evangelischen Kirchentag den Abschlussgottesdienst halten durfte.

Davor war sie schon bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl 1998 als Kandidatin angetreten und hatte mit einer halben Million Stimmen den respektablen zweiten Platz belegt.

Im Jahr 2008 legte Knoll überraschend alle ihre kirchlichen Ämtern nieder. Grund war ein Jörg Haider-freundlicher Hirtenbrief des Kärntner Superintendanten Sauer, der in allen evangelischen Kirchen Österreichs verlesen werden musste. Aus Protest und als Ausdruck ihrer "protestantischen Identität" trat Knoll sogar ganz aus der Kirche aus.