Langsam gewinnen sie wieder an Bedeutung, die Vorbilder des sozialen Wohnbaus: Die kommunalen Wohnbauten des sogenannten "Roten Wien", die nachhaltigen Zeichen der Wohnbau-Aktivitäten der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs in der Zeit von 1918 bis 1934. Diese Groß-Wohnbauten entstanden in den 20er- und 30er-Jahren und sollten auch für die ärmere Bevölkerung für Wohnqualität sorgen – Gesundheit und Bildung standen im Vordergrund der Reformbemühungen.

Einer der größten Wohnbauten der Leopoldstadt war der sechsstöckige "Lassalle-Hof" mit 290 Wohnungen. Der "Lassalle-Hof" war einer der 19 Wohnbauten, die im 2. Bezirk errichtet wurden. Architekt Karl Krist gewann zwar den 1923 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für die Wohnhausanlage, den Zuschlag erhielten jedoch die Zweitplatzierten, die Architektengemeinschaft Hubert Gessner, Hans Paar, Fritz Waage und Friedrich Schlossberg. Der Grund für diese Entscheidung ist nicht dokumentiert.

Der Bau der Wohnhausanlage mit Wohnturm in der Lassallestraße 40 wurde im Mai 1924 begonnen, bereits 1925, also ein Jahr vor der Eröffnung, stand der Name für die Wohnhausanlage fest: "Lassalle-Hof", nach Ferdinand Lassalle, dem Begründer der deutschen Sozialdemokratie und Arbeiterbewegung. Wiens Bürgermeister Karl Seitz eröffnete den neuen Wohnbau persönlich, am 3. Oktober 1926. Die repräsentative Straßenfront zur Lassallestraße ist mehrfach zurückgestuft, auffällige architektonische Details sind u. a. Erker, Blendarkaden, Rundbögen und die Steinvasen im zentralen Innenhof.

Die Gesamtfläche des Lassalle-Hofes beträgt 6.720 Quadratmeter, knapp 60 Prozent davon sind verbaut. Im "Lassalle-Hof" gab es wie bei den meisten, größeren sozialen Wohnbauten üblich, Geschäftslokale, einen Kindergarten, eine Mutterberatungsstelle und eine Bibliothek. Im obersten Stock des achtstöckigen Wohnturms war ein Unterrichtsheim und das Fotoatelier der österreichischen Naturfreunde untergebracht. Ein Detail ist dabei interessant: Der Künstler Mario Petrucci wurde mit einem Lassalle-Denkmal beauftragt – der Stadtregierung war dieses dann jedoch zu monumental – so wurde es letztlich im "Winarsky-Hof" im 20. Bezirk errichtet.

Erst nach dem "Lassalle-Hof" wurde der "Karl-Marx-Hof", mit über 1.300 Wohnungen, im 19. Bezirk errichtet – der mit 1,1 Kilometer Länge übrigens der längste, zusammenhängende Wohnbau der Welt ist.

Der markante Wohnturm des "Lassalle-Hofes" wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, 1949 jedoch wiederaufgebaut. In den 90er-Jahren wurde die mittlerweile denkmalgeschützte Wohnhausanlage komplett saniert und einige Wohnungen zusammengelegt – heute gibt es 269 Wohnungen, direkt an der U-Bahnstation Vorgartenstraße.