Schon einmal war im Rahmen dieser Serie von Fritz Kalmar die Rede (12./13. Mai 2018). Er hatte sich vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nach Bolivien retten können. Als dieser vorbei war, hat er sich in seiner Eigenschaft als Präsident der "Vereinigung der Freien Österreicher" in La Paz, Ende 1945, an die österreichische Regierung gewendet. Am 5. November schrieb er an den Staatskanzler (zu diesem Zeitpunkt war dies Karl Renner):

"Die Vereinigung hat es als ihre Aufgabe betrachtet (. . .) die Interessen der hier lebenden Landsleute zu vertreten. Als Abschluss unserer Bemühungen betrachten wir unser gegenwärtiges Ansuchen an die bolivianische Regierung, die österreichische Regierung ebenfalls anzuerkennen. Vom Augenblick der Befreiung unserer Heimat an haben wir alles versucht, um mit der österreichischen Regierung in Verbindung zu treten, haben ein Begrüßungstelegramm nach Wien geschickt, uns der österreichischen Regierung zur Verfügung gestellt und um Weisungen gebeten. Alle diese Bemühungen waren bisher vergeblich."

Es folgte eine Aufzählung der Tätigkeiten der Vereinigung - zu diesem Zeitpunkt 570 Mitglieder stark - auf politischem und kulturellen Gebiet, bis hin zur Beschreibung der Hilfsmaßnahmen für Nazi-Opfer in der Heimat. "Die Vereinigung hat u.a. für die Volkssolidarität in Wien einen Betrag von 510 Pfund zur Verfügung gestellt, was dem damaligen Gesamtbestand ihrer Kassa entsprach."

Im Februar 1946 folgte ein Schreiben, bei dem bedauert wurde, dass aus Wien keine Reaktion gekommen sei, was aber auf die "gegebenen Postverhältnisse" zurückgeführt wurde. Noch einmal wurde betont, dass der Einrichtung einer diplomatischen Vertretung besondere Bedeutung zugemessen werde. Und wieder wurde angeführt, dass im Jahr 1945 Geld- und Sachwerte in der Höhe von 6300 U$ bereitgestellt worden waren und nun wieder ein Betrag verfügbar sei. Der Bericht vom November wurde wieder beigefügt und abgesendet. Am 9. März schrieb Bundeskanzler Leopold Figl zurück und bedankte sich herzlich. Er sagte auch zu, dass dem Wunsch nach einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung Rechnung getragen werden würde, weil "Österreich gerade in der heutigen Zeit seine Auslandsvertretungen zu aktivieren hat". Doch dann drückte er seine Sorge aus: "Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie wohl ersuchen, an alle Österreicher die Bitte zu richten, die Heimat nicht zu vergessen und darauf bedacht zu sein, dass aus dem Verhalten jedes einzelnen Österreichers die Fremde einen Schluss auf Österreich selbst zieht und daher Gesamtösterreich nach dem Verhalten jedes einzelnen beurteilt wird." Kein Wort verlor Figl, um die Geflüchteten wieder in ihre Heimat, die ihnen so wichtig war, einzuladen, um am Wiederaufbau des Landes teilzunehmen.

Ich weiß nicht, wie die Betroffenen dies aufgefasst haben. Mir persönlich tut dieser Umstand jedenfalls bis zum heutigen Tag noch weh.

Roberto Kalmar (Jg. 1956),

geb. in Montevideo,

Vertragsbediensteter,

3413 Oberkirchbach