Als Buchhandelslehrling in den 50er Jahren sind mir zwei Anekdoten in Erinnerung geblieben. Einmal kam ein Kunde herein und sagte: "Ich will einen Mantel." Ich stutzte kurz und wollte schon sagen, das Kleidergeschäft sei ein paar Häuser weiter. Dann schaltete ich schnell, ging zum Reclam-Regal und verkaufte ihm "Der Mantel" von Nikolai Gogol. Nicht mit mir, mein sehr geschätzter Scherzbold. Der "Schmäh" hätte von mir stammen können.
Die andere Anekdote war der Kauf einer Bibliothek aus einer Hinterlassenschaft. Beim Abtransport der Bücher zeigte mir der Chef voller Stolz einen aufgefundenen schmalen Band mit Illustrationen von Alfred Kubin, ein Exemplar dieser Auflage hatte vorher bei einer Auktion bei Hauswedell in Hamburg einen beachtlichen Preis erzielt.
Was wir damals nicht wussten: Die Bibliothek war total verwanzt. Ermüdet von den körperlichen Anstrengungen, hatte ich mich dort noch auf der Couch ausgeruht. Aber die Wanzen scheinen mich glücklicherweise nicht gewollt zu haben.
In der Buchhandlung hatte ich später eines der Bücher aufgeschlagen und da war zwischen den Seiten eine Wanze. Ich zeigte diese dem Kollegen Filialleiter. Es war Winter und wir hatten einen Ofen mit Koks eingeheizt. Der Kollege wollte die Wanze in den Ofen befördern. Jedoch wie die Wanze die Wärme verspürte, erwacht sie zum Leben und versuchte in die andere Richtung zu entfliehen. Ob sie im Ofen landete, konnte ich nicht erkennen, ich glaube es nicht.
Jedenfalls haben wir die Bücher verkauft, ob mit oder ohne Wanzen. Dass ich keine Wanze mit nach Hause brachte, erscheint mir als ein Wunder der Natur.
Peter Jürß (Jg. 1943)
Pensionist,
1160 Wien