Eines Morgens im Jahr 1946, wir wohnten in Hötting hoch über Innsbruck, sagte Mutter, wir gehen in die Stadt, vielleicht kommt Vati aus dem Krieg. Ich war sechs Jahre alt und Vater kannte ich nur von Fronturlauben. Ein Mann, der mich auf Knien geschaukelt hatte und sehr lustig gewesen war, aber das war schon sehr lange her.

Es war ein weiter Weg und die ganze Zeit hatte ich beide Fäuste daumenhaltend fest in den Manteltaschen vergraben. Endlich hielten wir vor einem großen Gebäude und reihten uns in eine Schlange. Hoch an der Wand gab es einen Anschlag, auf dem Namen der Kriegsheimkehrer standen. Als wir endlich vorne waren, hüpfte Mutter in die Höhe und rief: "Ui,Ui, Ui!", was mir ziemlich peinlich war. "Da steht sein Name!", rief sie und alle schauten uns an - voller Neid, wie ich heute weiß. Ich wollte auch sehen, wo der Name stand, und Mutter wollte die wunderbare Nachricht auch nochmals lesen, daher stellten wir uns wieder hinten an. Als wir zum zweiten Mal vor dem Anschlag standen, hob sie mich hoch und zeigte mir den Schriftzug. Ich konnte damals zwar schon etwas lesen, aber nur Blockschrift, und die Liste war in Handschrift verfasst, aber ich glaubte ihr, dass es da stand: Unser Vati kommt heim! Was für ein Glück! An den Heimweg den Berg hinauf kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber was für ein unsagbares Glück!

Mag. Waltraud Sarny (Jg. 1939),

ehemalige Flugbegleiterin,

3001 Mauerbach