Es kommt immer wieder vor, dass Vorsitzende politischer Parteien zurücktreten. Seltener ist allerdings, dass sie auch gleichzeitig aus ihrer Partei austreten, wie das bei Susanne Sohn und mir der Fall war, als wir 1991 als Vorsitzende der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) zurückgetreten sind.
Jede Partei bietet eine Art politische Heimat. Die KPÖ war auch aufgrund äußerer Anfeindungen nach innen besonders eng "zusammengeschweißt". Was motiviert dann also zu so einem Schritt? Die politischen Auseinandersetzungen innerhalb der KPÖ in Verbindung mit der Perestroika in der Sowjetunion gingen tiefer als die üblichen Intrigen und Machtkämpfe, wie sie sich in allen Parteien abspielen. Es ging uns um den Versuch, aus der KPÖ eine demokratische Linkspartei zu formen. Als deutlich wurde, dass die Mehrheit in der KPÖ einen solchen Weg ablehnte, blieb nur die Alternative: aussichtsloser politischer Machtkampf oder Austritt.
Ich habe mich für das Zweite entschieden. Als ich mir dazu den Rat eines mir vertrauten kommunistischen Arbeiterbetriebsrates einholte, meinte dieser, dass angesichts der tiefen Meinungsverschiedenheit nur ein solcher Austritt konsequent wäre.
Ich war zunächst über diesen Gedanken des gänzlichen politischen Heimatverlustes schockiert, bei längerem Nachdenken begann er mich mit der Zeit zu überzeugen. In Abkehr von meiner früheren kollektiven Denkweise habe ich für meine Entscheidung nicht geworben. Nur meine Co-Vorsitzende Susanne Sohn habe ich informiert. Sie reagierte genauso, wie ich es anfänglich tat. Wir haben dann darüber nicht mehr gesprochen.
Erst als wir gemeinsam zu einer Pressekonferenz in das Café Landtmann am 18. März 1991 fuhren, auf der ich meinen Rück- und Austritt bekanntgeben und begründen wollte, erklärte Susanne Sohn, dass sie es genauso machen werde. Leider konnten wir damals unser politisches Projekt nicht realisieren. Wir haben es zumindest versucht. Für mich bleibt: Eine linke Bewegung souveräner Menschen würde heute dringend gebraucht.
Dr. Walter Silbermayr (Jg. 1951).
Rechtsanwalt und Ex-KPÖ-Chef,
1040 Wien