Die Mutter meiner Freunde sah ich im Jahr 1948 in Strasshof an der Nordbahn fast immer nur am Herd stehen und kochen. Die fünf Kinder schliefen in Stockbetten, alle in einem Raum, der an die Küche anschloss, ich glaube, sie schliefen dort zusammen mit den Eltern.

Dieses Schlafzimmer war düster und mit schweren Kästen und Betten verstellt. Auf den Betten tobten wir auch tagsüber manchmal herum bis die Mutter uns mit lautem "Geht’s ausse, es Gfrasta!" verjagte.

Manchmal kam eine alte Frau mit einem großen Rucksack, aus dem sie übertragene Kinderkleider herausnahm und vor der Nachbarin ausbreitete. Meine Spielkameradinnen bettelten dann ihre Mutter an, sie solle ihnen alles kaufen.

Aber das Geld war knapp, und nur ein oder zwei Kleider wurden der Händlerin abgekauft, die dann in der Familie von der Ältesten bis zur Jüngsten weitergegeben wurden. Ich bekam immer "neue" Kleider, denn meine Mutter, die Schneiderin war, machte mir Kleider aus ihren alten Sachen, also aus "Friedensware", wie sie immer betonte.

Bei uns zu Hause ging es meist sehr still und - aus meiner kindlichen Sicht - oft langweilig zu. Meine Mutter nähte oder bügelte mit ihrem Kohlebügeleisen die Nähte ihrer Schneiderarbeit glatt oder, wenn sie zwei oder drei Tage große Wäsche gewaschen hatte, die schweren Leintücher, die sie aus ihrer alten Heimat im norddeutschen Kiel mitgebracht hatte. In diese waren an den Ecken kunstvoll ihre Monogramme eingestickt.

Ihre damals schon ganz grauen Haare hingen über die vor Anstrengung schwitzende Stirn. Sie blies sie von Zeit zu Zeit seufzend aus dem Gesicht.

Traude Molik-Riemer (Jg. 1942),

Malerin,

1140 Wien