In den 80er Jahren drehte Marcello Mastroianni einen Film in Budapest und besuchte uns am Wochenende in Wien, um seiner Tochter Chiara (Mutter Catherine Deneuve) die Stadt der Musik zu zeigen. Wir spazierten an der Oper vorbei, in der großes Treiben herrschte. Wir gingen hinein, wurden von einem Livrierten erkannt und gleich in eine Loge geführt, von wo aus wir die Probe zur Opernballeröffnung beobachten konnten.
Lotte Tobisch, damals die Ballmutter des Opernballs, eilte rasch herbei und bot Chiara an, doch gleich bei der Eröffnung mitzutanzen. Chiara aber war jung und schüchtern und wollte nicht und so kam dann schließlich auch Marcello nicht zum Ball.
Meine Frau Hilde ging mit Chiara in die Stadt Auslagen anschauen und so setzten wir - Marcello und ich - uns gemütlich in ein Café am Graben. Plötzlich erschien eine Dame mittleren Alters, sah Marcello und stieß einen Entzückensschrei aus. Sie ergriff ihn am Ärmel und rief immer wieder: "Das ist der schönste Tag meines Lebens."
Ich versuchte sie zu besänftigen, aber Marcello blieb ohnehin ganz ruhig. Er sagte: "Diese Frauen sind mein Publikum, von ihnen lebe ich." Er war ein echter Star, der wusste, was er seinem Publikum schuldig war.
Später wurden wir von Wiens Bürgermeister Helmut Zilk im Rathaus empfangen. Marcello küsste allen Damen die Hand und gab fleißig Autogramme. Wie bei Zilk üblich, wurde sehr viel fotografiert. Danach fuhren wir zum Heurigen und Chiara und unsere Teenager-Töchter Sandra und Cathi entdeckten ihr gemeinsames Interesse für Briefmarken. Jedes der Mädchen hatte ein Album bei sich und das füllte dann den ganzen Abend.
Es wurde beschlossen, dass Chiara bei unseren beiden Mädchen übernachten sollte, während Marcello in das Hotel Imperial zurückkehrte.
Wir haben Marcello später nie wiedergesehen. Catherine Deneuve filmt nach wie vor und Chiara ist Star und Produzentin in Frankreich.
Wolfgang Odelga (Jg. 1934),
Filmproduzent im Ruhestand,
1030 Wien