Am 13. September 1973 puschte in Chile unter Führung von General Pinochet das Militär gegen den gewählten Präsidenten Salvador Allende. Es war ein blutiger Putsch, Tausende verloren ihr Leben. Auch als das Militär die Macht voll in der Hand hatte, wurden Anhänger des getöteten Präsidenten verfolgt, gefangen, gefoltert und misshandelt. Es gab viele Tote, rund 2000 Menschen verschwanden spurlos.

Flüchtlingskinder aus Chile: - © ullstein bild - RDB
Flüchtlingskinder aus Chile: - © ullstein bild - RDB

Die Bedrohten suchten Zuflucht in Botschaften Lateinamerikas und Europas. Ich war damals als Priester in einem großen Elendsviertel Santiagos tätig. Verfolgte wandten sich auch an mich. Ich ersuchte unseren Botschafter, Verfolgte aufzunehmen. Mit den Worten, er sei kein Gefängniswärter, lehnte er das schroff ab, er stand auf Seite der Putschisten.

Meine spätere Frau Sigrun Pernerstorfer, die damals in Elendsvierteln arbeitete, riet mir, Außenminister Rudolf Kirchschläger anzurufen. Als der Botschafter auch der Aufforderung aus Wien, Flüchtlinge aufzunehmen, nicht folgte, riet mir Kirchschläger, keine weiteren Versuche beim Botschafter zu machen, er werde einen Sonderbeauftragten schicken, der kurz darauf in Chile eintraf.

Inzwischen war ich selbst in Gefahr, verhaftet zu werden. Unser Haus war durchsucht worden. Da ich nicht daheim war, konnte man mich nicht fassen. Sonderbeauftragter Leifer schlug mir vor, in die Residenz des Botschafters zu kommen, um in Sicherheit zu sein. Von dort aus konnte ich Verfolgte, die sich an uns gewendet hatten, verständigen, dass sie in die Botschaft kommen können. Der Zugang war noch nicht ständig durch Polizei blockiert. Nach einer Woche konnte ich im Botschaftsauto zum Flugplatz und dann nach Wien kommen. Sigrun und ihre Familie gaben alles auf und flogen ebenfalls nach Hause. In Wien bekam ich Kontakt mit der Generalsekretärin von Amnesty International, Irmgard Hutter. Sie stellte mich einen Tag später Justizminister Christian Broda (SP) vor, der sich sehr für die Aufnahme der Chile-Flüchtlinge einsetzte. Broda brachte mich noch im Parlament zu Bundeskanzler Kreisky, der durch Überzeugungskraft die Aufnahme chilenischer Flüchtlinge, entgegen bisheriger Gewohnheiten, durchsetzte.

Meine Erfahrungen mit der österreichischen Botschaft interessierten ihn sehr - er war empört. Kreiskys Regierung fasste den Entschluss, 200 Flüchtlinge aufzunehmen, später wurde die Zahl durch weitere Fälle erweitert, entweder weil Dr. Leifer aus Chile intervenierte oder weil ich manche Fälle direkt an Kreisky herantrug.

Nach und nach konnten die Familien der Flüchtlinge nachkommen. Insgesamt wurden etwa 500 Verfolgte aufgenommen. Das war dennoch wenig im Vergleich mit anderen Ländern. So gab es in der Schweiz 3000 Plätze bei Familien für Flüchtlinge aus Chile, ermöglicht durch eine private Aktion. Im Jahr 1980 wollte Chile 200 Panzer aus Österreich kaufen. Pinochet wollte damit die internationale Isolierung Chiles beispielhaft durchbrechen. Der Solidaritätsbewegung gelang es, in Zusammenarbeit mit vielen kirchlichen und anderen Organisationen, eine Bewegung gegen dieses Geschäft ins Leben zu rufen.

In der entscheidenden Sitzung der Regierung lehnte Kreisky das Geschäft mit dem Hinweis auf die Gegenbewegung, auf die Haltung von Christen, Sozialisten und Kommunisten, ab. Das war ein Sieg der Internationalen Solidarität, möglich durch einen Politiker, dem Werte wichtiger waren als Interessen.

Dr. Herbert Berger (Jg. 1933),

ehemaliger kath. Priester,

1060 Wien