Am 1. August 1976 war ich ungefähr vierzehn Jahre alt und mitten in den Sommerferien. Ich erwachte auf unserem Bauernhof in Nöchling, aber nicht von einem Wecker, sondern von einem lauten Stimmengewirr auf dem Gang draußen vor meinem Schlafzimmer.

Die Wiener Urlaubsgäste hatten sich dort versammelt und diskutierten laut und aufgeregt. Es war von ihnen zu erfahren, dass in der Früh die Wiener Reichsbrücke eingestürzt war. Ich war darüber nicht so betroffen wie sie. Ich kannte ja diese Brücke nicht und hatte keine Vorstellung von der Stabilität, die mit ihrem Namen verbunden war. Sie hatte als einzige Wiener Brücke die Bomben des Zweiten Weltkrieges überstanden und sich damit den Nimbus der Unzerstörbarkeit erworben. Die einzige Brücke, die ich näher kannte, war die Donaubrücke bei Ybbs-Persenbeug, und die stand in einem nicht annähernd so hohen Ruf wie die Reichsbrücke, weil sie bis heute ständig repariert werden muss. Sie ist eine technische Fehlkonstruktion. Die Generatoren des Kraftwerkes ruinieren mit ihren Schwingungen regelmäßig den Straßenbelag, die Vibrationen des Autoverkehrs schaden den Generatoren, und es ist so gesehen ein großes Wunder, dass sie bis heute nicht eingestürzt ist.

Am Nachmittag bin ich mit Sommergästen zum Volksfest nach Grein gefahren und habe Würstel und Keli spendiert bekommen. Da haben wir im Radio gehört, dass Niki Lauda beim Autorennen am Nürburgring einen schweren Unfall hatte. Da war ich ehrlich erschüttert. Ich persönlich hatte Niki Lauda für viel unzerstörbarer gehalten als die Wiener Reichsbrücke. Er hat sich danach auch viel schneller erholt als sie. Später haben beide wieder ziemlich gut funktioniert, und das ist bis jetzt so geblieben.

Von der Reichsbrücke liest man weniger in den Zeitungen als von Herrn Lauda, aber das liegt daran, dass die menschliche Existenz ein Auf und Ab kennt, das für Brücken nicht vorgesehen ist und durch Kontrollen und Sicherheitsbestimmungen Gott sei Dank erfolgreich verhindert wird. Außer am 1. August 1976.