Meine Schwester und ich kamen im Sommer 1946 zum Aufpäppeln mit Wiener Kindern nach Vorarlberg. Wir wurden gemeinsam untergebracht und erhielten Butter (!) auf’s Brot und echte (!) Milch. Eines Tages brach im Paradies kollektives Schluchzen aus: Es wurde ruchbar, dass Kinder in Wien Schokolade erhalten hatten. Und wir waren weit weg und so gab es für uns nichts.

Der erste Schultag im Herbst 1946 verlief dagegen mehr als zufriedenstellend. Jedes Mädchen bekam von der Lehrerin eine Süßigkeit, ein Mittelding zwischen Karamelle und hart gewordenem Grießkoch. So etwas Gutes! Vielleicht war das ein Grund, warum wir gerne in die Schule gingen.

Gegenüber der Schule gab es eine Konditorei, deren Auslage mit zwei Sorten Mehlspeise (Cremeschnitten und etwas Guglhupf-Ähnliches) wir täglich besichtigten. Jeden Monat kaufte Mutter zwei Cremeschnitten für uns. Die bekam man nur, wenn man außer Geld auch zehn Deka Zucker hinlegte.

Naschwerk war auch ohne Zuckerabgabe zu bekommen, nämlich mit Erdäpfelzucker. Es ist nicht möglich, ein heutiges Produkt als Vergleich zu nennen. Es war dunkelmilchfarben, Konsistenz wie ein sehr hartes Toffifee und am besten mit einer Hacke teilbar. Aber so gut! Das zeigt, dass Zeiten nicht so schlecht sein konnten, dass ein Kind nicht etwas Gutes für sich entdeckt.

Hanne Petrag (Jg. 1940),

Pensionistin,

1030 Wien