Ich war sieben Jahre alt und es hat sich im Frühjahr 1945 zwischen Hall und Admont an der Enns Folgendes ereignet: Die Vorhut russischer Panzer hatte der unstabilen Holzbrücke über den Fluss misstraut und den Vormarsch zum Erliegen gebracht, wodurch der rechtsseitige Brückenkopf besetzt und der Übergang mit einem Schlagbaum versehen wurde.
Auf der linken Seite des Flusses hatten amerikanische Panzer den "Wettlauf" gewonnen und sich am Brückenkopf unweit unseres Hauses positioniert. Zum ersten Mal sahen wir, nach einigen Schrecksekunden, einen dunkelhäutigen Soldaten aus dem Panzer hochkommen, der mit seinem blitzenden Gebiss wohl über unsere ängstliche Verdutztheit breit lächelte.
Die Soldaten besetzten alle Villen im Umkreis und wir verfolgten neugierig diese so ganz andere Art von Menschen, ihre Sprache und ihr soldatisches Tun. Wir lernten, dass Koexistenz unter Toleranz durchaus möglich ist: Uns wurde gestattet, über die Brücke zu laufen, um die Milch und Lebensmittel aus Großmutters Händen über den russischen Schlagbaum entgegenzunehmen.
Ilse M. Harpf,
Pensionistin (Jg. 1938),
8010 Graz