Finanzminister standen in dieser Republik immer schon unter besonderer Beobachtung. Oft waren sie hoch geachtet wie Stephan Koren, bisweilen schillernd wie Hannes Androsch oder umstritten wie Karl-Heinz Grasser. Manche gerieten auch bald wieder in Vergessenheit, waren sie doch nur sehr kurz und weniger erfolgreich im Amt, wie etwa der Kurzzeitminister Andreas Staribacher. Mit ihm verband mich damals - es handelt sich um das Jahr 1995 - der Zufall einer gewissen äußeren Ähnlichkeit. Bald wurde in der Redaktion der "Zeit im Bild" gewitzelt, ich müsste doch ob meines bisher geheim gehaltenen Zwillingsbruders beste Kontakte in die damalige Regierung haben.

Auch auf der Straße wurde ich häufig verwechselt und angesprochen. Manche riefen mir quer über die Straße zu: "Herr Minister, haben wir schon ein Budget?" Die mir bisher persönlich nicht bekannte Dagmar Koller fiel mir in herzlicher Begrüßung um den Hals und so mancher andere Promi lud mich "vorab mündlich" zu diesem oder jenem Ereignis ein - was schriftlich dann natürlich nie bei mir einlangte. Ob umgekehrt der Minister Staribacher zu irgendwelchen Pressekonferenzen oder Redaktionsmeetings eingeladen wurde, weiß ich nicht.

Ende 1995, nach wenigen Monaten im Amt, scheiterte Staribacher im Zuge der Erstellung eines Budgets. Gefühlte quälende Wochen lang präsentierte er öffentlich immer wieder unterschiedliche Zahlen. Als wieder einmal das Defizit über Nacht um zig Millionen höher war als bislang genannt, wollte es das Schicksal, dass ich von der Redaktion zum berühmten Pressefoyer nach dem Ministerrat entsandt war.

Auf die Frage an den schon genervten Kanzler Franz Vranitzky, ob denn nun wirklich Millionen verschwunden wären oder ob der Finanzminister das Budget nicht im Griff habe, verriet nur seine Halsschlagader, wie sehr er um seine Contenance kämpfte. Was bei ihm selten merkbar war. Gerüchte, wonach am Nachmittag die Telefonleitung zwischen dem Ballhausplatz und dem ZiB-Chefredakteur Horst Friedrich Mayer geglüht hätten, waren selbstverständlich nur solche.

Das Interview wurde jedenfalls in der ZiB 1 gesendet. Wenige Tage darauf trat Andreas Staribacher zurück und wurde wieder wie schon davor - ein höchst erfolgreicher - Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater. Und die vielen Einladungen an mich haben plötzlich wieder aufgehört.

Dr. Hubert Nowak (Jg. 1954),

Journalist,

1140 Wien