In den letzten Kriegsmonaten 1945 - ich war knapp fünf Jahre alt - wurden unserer Familie Wohnräume in Wiener Neustadt, der meistzerstörten Stadt Österreichs, zugeteilt. Die "Familie" bestand aus zwei Generationen verwandter Frauen mit Kindern, deren Männer im Krieg, kriegsgefangen oder gefallen waren.

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Die Versorgungslage hatte zur Folge, dass sich Gesprächsthemen weniger um Diätkuren als um Köstlichkeiten drehten, die es in Friedenszeiten gab. Auf meine Frage wurde mir bestätigt, dass es im Frieden jede Menge Schokolade gibt. An einem sonnigen Frühlingstag spielte ich mit Freunden in Ruinen Räuber und Gendarm, als plötzlich Sirenen heulten - aber anders als beim Fliegeralarm, und die Erwachsenen schrien, es sei Frieden.

Jetzt hielt mich nichts mehr, mich interessierten weder Räuber noch Gendarm, ich wieselte, so schnell ich konnte, nach Hause, platzte in die Familie, verkündete, es sei Friede - was ohnehin schon alle wussten - und bat um Schokolade. Wie mir später erzählt wurde, war ich schwer enttäuscht, dass es keine gab. Aber Tränen in den Augen hatte meine Mutter.

Dr. Anton Schmeikal,

ehem. Personalchef (Jg. 1940),

2345 Brunn am Gebirge