Zu den liebenswürdigen Gestalten meiner Kindheit gehört der "Gratulier-Toni‘". Ein Bettler mit Hut, auf dem Kirtagsrosen wippen, in ausgebeulten Jackentaschen hat er oft mehrere Wecker. Die nimmt er von Zeit zu Zeit heraus, schaut sie verliebt an, dreht sie, schüttelt sie, plötzlich schrillt es los. Dann lacht er überrascht wie ein Kind und steckt sie wieder ein. Der Mann büxt oft aus dem Altersheim aus, um nahe Bauerndörfer abzugrasen, nein, besser zu besuchen, denn er hat die Namenstage der Bauern im Kopf und geht aus diesem Anlass gratulieren, sagt Sprücherl auf, was ihm natürlich Geld oder eine Jause einbringt. Wo es nix zu gratulieren gibt, fordert er dennoch etwas, er findet, es stehe ihm zu.
Mutter hatte in der kalten Jahreszeit die langen Unterhosen meines Vaters zum Trocknen aufgehängt, als der Anton vorbeikommt. Er fängt an zu betteln, dass er eine solche Hose brauche, weil er so friere. Obwohl sie diese versoffene Kreatur, wie Mutter ihn nennt, abstoßend findet, lässt sie sich erweichen und nimmt eine geflickte Hose von der Leine und will sie ihm geben. Er tritt einen Schritt zurück, schüttelt den Kopf, zeigt zielsicher auf ein besser aussehendes, neueres Modell. "Die", sagt er bestimmt. "Die!" Er bleibt so lang stehen und jammert, bis sie die fast neue herunternimmt, dann zieht er damit ab. Ab da sperrt sie die Haustür ab, sobald sie ihn auf der Straße vorbeigehen sieht, und vergisst die christliche Nächstenliebe, die sie ansonsten lebt.
Die älteren Leute im Mank-Texingtal und im Pielachtal werden sich noch an dieses Original erinnern. Er hieß: Anton Peham.
Johanna Dürnecker,
Autorin (Jg. 1947),
3200 Obergrafendorf