Ich war Lehrmädchen in der renommierten jüdischen Buchhandlung "Alois Reichmann" auf der Wiedner Hauptstraße. Die Chefleute waren sehr nett und nahmen mich wie ein Familienmitglied auf. Für den Buchhändlerball wurde mir sogar ein rotes Brokatkleid angepasst.

Wir hatten berühmte Kundschaft, wie den Walther Reyer, den Franz Kreuzer und andere. Aber der Rucksack! Ich musste von der Auslieferung Morawa in der Innenstadt von Kunden bestellte Bücher einholen. Und das mit einem großen Rucksack am Rücken! Ich genierte mich maßlos. Rucksäcke trugen in diesen Jahren ja nur alte W... Frauen. Ich musste also als junges Mädel, die ganze mondäne Kärntner Straße, durch die damals noch der Verkehr floss, mit diesem gehassten Rucksack gehen...
Viele Jahre später, als es modern wurde, mit Rucksack zu gehen, ärgerte ich mich über die verkehrte Welt. Außer beim Wandern ging ich natürlich nie mit Rucksack. Die Buchhandlung gibt es leider nicht mehr. Heute ist eine moderne Apotheke am Platz.
Christine Kainz (Jg. 1949),
Buchhändlerin i. R.
1120 Wien