In den Jahren 1945/46 kam es oft zu andauernden Stromstörungen. So auch an einem sonnigen Nachmittag im Frühjahr 1946. Ich saß im 71er und fuhr nach Schwechat, wo ich in die Preßburgerbahn umsteigen wollte, um nach Fischamend zu kommen. Die Fahrt mit war mein täglicher Schulweg.
In Simmering blieb die Straßenbahn plötzlich stehen. Der Schaffner informierte uns: "Das Verbundnetz ist zusammengebrochen."
So blieb den Fahrgästen nichts übrig, als zu Fuß nach Schwechat zu gehen. Es war eine lange Menschenkette, die sich verärgert dahin bewegte. Wir waren noch nicht weit gegangen, als ein russischer Lkw stehen blieb. Männer nahmen zum russischen Soldaten Kontakt auf. Er erklärte sich bereit, uns nach Fischamend mitzunehmen, und sollte uns am Hauptplatz aussteigen lassen.
Bald war Schwechat erreicht und auf der Hainburger Straße ging es weiter. Als der Turm in der Ferne zu sehen war, machten wir uns zum Aussteigen bereit, doch - oh Schreck! - das Auto blieb nicht stehen. Mit erhöhter Geschwindigkeit brauste der Lkw Richtung Maria Elend. Der steile Anstieg der Straße am Ortsende musste mit Schwung genommen werden, daher das hohe Tempo. Einige Männer schlugen mit den Fäusten auf das Autodach und schrien: "Stehenbleiben! Wir wollen aussteigen!" Keine Reaktion! Ein Mann meinte: "Vielleicht bringt er uns nach Sibirien, wo sie Arbeitskräfte brauchen!"
Damals befand sich am Rand unseres Ortes auf Höhe der Barton-Villa ein Triumphbogen, errichtet von der russischen Besatzung. Ein breites Band bedeckt mit cyrillischen Buchstaben und einem Sowjetstern überspannte die Straße. Beim Triumphbogen hielt der Lkw an. Der Fahrer deutete uns auszusteigen. Er lachte übers ganze Gesicht, als er unsere verdatterten und verängstigten Gesichter sah. Uns aber war das Lachen vergangen. Einige Männer beschimpften ihn auf das ärgste. Ich für meine Person zog daraus die Lehre, nie wieder in ein fremdes Auto zu steigen!
Emma Goldmann (Jg. 1938),
pensionierte Lehrerin,
2401 Fischamend