Wir saßen in den beiden vorderen Bänken der Martin-Luther-Kirche in Linz - schon oder gerade noch nicht mit Stimmbruch - und der Herr Pfarrer prüfte uns den Katechismus vor der evangelischen Gemeinde. Seitlich gleich neben uns saßen die ganzen Presbyter, die mir schon damals und später noch mehr unsympathisch waren, eigentlich nur wegen ihres wohlgenährten Äußeren und dass man sie auch noch mit "Herr Kommerzialrat" ansprach und stetig hofierte.
Sie hörten sehr aufmerksam zu, wie und was wir dem Herrn Pfarrer antworteten, der meistens "Gut!" sagte, auch wenn die Antwort nicht so klar und richtig ausfiel. Die eigentlich strengen Richter waren aber die Presbyter. Gott sei Dank hatten sie weiter nichts zu sagen. Wir hatten alle bestanden!
Es war am Tag meiner Konfirmation, und die Armbanduhr und den Silberring mit meinem Monogramm hatte ich schon vorher als Morgengabe bekommen und in der Kirche in Gebrauch an Arm und Finger. Wir durften nun als im Glauben gefestigte und geprüfte Konfirmanden zum ersten Mal am Abendmahl vor dem Altar teilnehmen.
Dann der feierliche Auszug zu Orgelklängen und Glockengeläute aus der Kirche, und als wir davor zum Gruppenfoto aufgestellt wurden, läuteten die Glocken aller Linzer Kirchen, allen voran das mächtige Geläute des Linzer Domes, unweit von der Martin-Luther-Kirche.
Das geschah aber dann letztlich doch nicht wegen uns an diesem 15. Mai des Jahres 1955! Denn im Oberen Belvedere in Wien war damals gerade der Staatsvertrag unterzeichnet worden. "Österreich ist frei!" Und ich hatte meine erste Armbanduhr und das in einer neuen Zeit!
Fritz Weilandt (Jg. 1941),
Lehrer in Pension,
1020 Wien