Wien. Als die Republik kam, ging der Adel. Seine Privilegien, sein altösterreichisches Gepränge passten ab 1918 nicht mehr in ein demokratisches Gemeinwesen. Man hatte genug von den Habsburgern und ihrer blaublütigen Entourage, alle Vorrechte wurden im "Adelsaufhebungsgesetz" rigoros gestrichen.
Doch das ist nur eine Seite der Wahrheit. Denn so einfach ließen sich die ehemals Hochwohlgeborenen nicht abschaffen. Wer über Jahrhunderte gewohnt war, einen besonderen Status innezuhaben, der leistet hartnäckig Widerstand gegen die eigene Deklassierung. Adeliges findet sich deshalb heute an jeder Ecke. Auch, weil das Bürgertum gräfliche Verhaltensweisen und Gebräuche immer eifrig kopiert und bis in die heutigen Tage weitergegeben hat. Industriebarone wollten ebenfalls Wappen, Schloss und Siegelring - was vom "echten" Adel stets mit Nasenrümpfen quittiert wurde.
Mit einer Kreditkarte wird jeder zum Grafen
Die Studien des Wiener Soziologen Roland Girtler belegen die Langlebigkeit des Adels. In seinem Buch "Die feinen Leute" führt er als Beleg die Kreditkarte an. Die Idee kommt zwar aus den USA und k.u.k.-Barone, Komtessen und Kurfürsten haben nie mit Visa oder American Express bezahlt. Aber hier wird das ganz spezielle Verhältnis des Adels zu allem Irdischen und Materiellen sichtbar. Denn die Blaublütler waren gewohnt, eine vornehme Distanz zum Geld an den Tag zu legen. Der Fürst verfügte selbstverständlich über Geld, "aber die Abhängigkeit wird nicht gezeigt, sondern sorgsam hinter Distanzierungsritualen verborgen", schreibt Girtler. Kaiser Franz Joseph etwa hatte nie direkt mit Geld zu tun gehabt, ein Beamtenheer war damit beschäftigt, seine Rechnungen zu begleichen.
Bei einer Kreditkarte gehe es genau darum, fällt Girtler auf. Das jeweilige Geldinstitut übernimmt es, die Überweisung für den Kunden durchzuführen. Der Kreditkarteinhaber kommt mit dem "schnöden Mammon" nicht in Berührung, er delegiert diese "unfeine" Handlung an andere, die in seinen Diensten stehen.
Durch die Kreditkarte wird ein geschätztes Drittel aller Österreicher zwar nicht zum Adeligen, man darf aber ein erlauchtes Gefühl der Erhabenheit genießen - was dem Erfinder der Plastikkarte, John Biggins, 1946 nicht entgangen ist.
Aus Schilderungen über die "gute alte Zeit" ist bekannt, dass Adelige oft enorme Schulden anhäuften, ohne dass es jemand gewagt hätte, den hohen Herren mit derart Banalem zu belästigen und die ausstehenden Beträge wirklich einzufordern. Wenn es der Fürst zu weit trieb, konnte es vorkommen, dass er im Schuldenturm oder im Kotter landete, bis alle Ausstände beglichen waren.