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Dero Hochwohllöblichkeit

Von Christina Böck

Im Zeichen des Doppeladlers ist hier die Zeit humorvoll stehen geblieben.
© Michael Hetzmannseder

Vom Titelwahn zur Ritualsehnsucht: kuriose Relikte im Schatten des Doppeladlers.


"Ich bin doch ned deppad, i fohr wieder z’haus." Das hat der Thronfolger bekanntlich nicht gesagt, nachdem er schon - erstmal erfolglos - mit einer Bombe in Sarajewo beworfen wurde. In Hannes Steins Roman "Der Komet" jedoch, da hat Franz Ferdinand diesen Satz gesagt. Und siehe da: Es gab keinen Ersten Weltkrieg. Und Österreich ist in dieser außerordentlich amüsanten Geschichtsfiktion nach wie vor eine etwas reformbedürftige, aber doch noch intakte Donaumonarchie in einer gemütlichen Jetztzeit. In den Klatschmagazinen wird berichtet, dass die Kaiserin in Sandalen (!) gesichtet worden sein soll. Handys gibt es nicht, dafür Telefonzellen mit kaiserlichem Emblem. Und auf dem Flieger zum Mond, der sich kaum unterscheidet vom üblichen Urlaubscharter, prangt auch der Doppeladler.

Bizarres Hierarchiekonstrukt

Das ist Literatur. Die Realität sieht anders aus. Wobei, sie sieht gar nicht so anders aus. Natürlich ist die Staatsform der Monarchie vor 100 Jahren gewichen, aber ihre Insignien bleiben präsent. Zumindest in der Wiener Innenstadt. Dort stolpert man auch heute noch über eine treffliche Anzahl an Doppeladlern. Etwa in der Bräunerstraße, dort befindet sich ein besonders prachtvolles goldenes Exemplar, es gehört zum k.u.k. Hofschuhmacher Rudolf Scheer. Und schräg gegenüber kann man gleich einen Schwarm an Doppeladlern entdecken. In der "Schildermanufaktur" widmet man sich einer Leidenschaft der Österreicher, die ihren Ursprung in der Monarchie hat - die Freude an der Titelverleihung. In dem kleinen Geschäft geht man mit Humor und einem gerüttelten Maß K.u.k.-Nostalgie an die Sache heran: Da gibt es etwa das Schild für den "Kaiserlich landesbefugten Philatelisten" genauso wie für den "Hochlöblichen Traktorliebhaber". Ein Schild für einen hochwohllöblichen Hofrat ließe sich wohl auch anfertigen. Oder für einen Medizinal-, Ministerial-, Kommerzial- oder Ökonomierat. Alles Relikte aus dem ausufernden Beamtenapparat der Monarchie. Die Titel hatten damals den Zweck, Ordnung in einem mitunter bizarren Hierarchiekonstrukt zu schaffen. Aber oft waren sie auch einfach ein Trostpreis: Sie wurden als Entschädigung für schlechte Entlohnung großzügig vergeben.

Der Beamtenapparat mag erschlankt sein, die Titulatur ist es nicht. Allein wenn man online ein Ticket im Burgtheater kaufen will, kann man aus 200 Titeln wählen. Das ist freilich nur ein Bruchteil der stattlichen Anzahl von 900 Titeln, die der Jurist Heinz Kasparovsky in seinem Standardwerk zum Thema auflistet.

Dass man manchmal auch - vor allem in Klatschmagazinen - noch Titeln begegnet, die per Gesetz aufgehoben wurden, ist eine andere Geschichte. Wie bei einem Artikel über die Modelkarriere von Eleonore, der Tochter von Karl Habsburg, von einer österreichischen Illustrierten forsch als Erzherzogin angesprochen.

Schöne Leichen

Das erfreut sicher jene, die sich alljährlich in Bad Ischl einem anderen kuriosen Relikt der k.u.k. Monarchie hingeben: der Feier des Geburtstags von Franz Joseph I. inklusive Schützenkompanien,Dragonern und backenbärtigem Kaiserdarsteller. In Bad Ischl hat Franz Joseph I. 1914 übrigens die Kriegserklärung gegen Serbien unterzeichnet. Das ficht Monarchisten, Nostalgiker und den ein oder anderen japanischen Touristen nicht an, die mit dem historischen Kaiserzug anreisen.

Dass es hierzulande zum Traditionsbrimborium des "alten Österreich" durchaus noch eine Affinität gibt, zeigte das Begräbnis von Otto Habsburg im Juli 2011. Einen stattlichen Marktanteil von 45 Prozent erreichte die ORF-Übertragung der berühmten Klopfzeremonie, fast eine halbe Million Zuseher wollten so etwas ein wahrscheinlich letztes Mal sehen. Aber dass man sich in Wien nicht so leicht um eine "schene Leich‘" betrügen lässt, ist auch klar: Einen ausgezeichneten Ersatz für ein Kaiserbegräbnis bieten die vergleichbar ritualreichen Trauerfeiern für Burgschauspieler. Kein Wunder, sind sie auch ein Erbe der Monarchie - die Ehrenmitgliedschaft war als Ersatz für den einstigen Titel des Hofschauspielers gedacht. 1922 wurde sie für besonders verdienstvolle Darsteller ins Leben gerufen. Noch 2009 wurde Heinrich Schweigers Sarg zu den Klängen der alten Kaiserhymne ums Burgtheater getragen.

Etwas handfester sind ganz andere Relikte der Monarchie im Wiener Stadtbild: die da und dort noch anzutreffenden Straßenwaagen. Sie wurden 1888 zum 40-jährigen Thronjubiläum Franz Josephs aufgestellt - und läuteten die damals topmoderne Ära der Münzautomaten ein. Dass sie mit den rigiden Ernährungsvorstellungen seiner Gattin Elisabeth zu tun hatten, ist freilich eine Legende. Jedenfalls sind sie praktisch, vor allem, wenn man bedenkt, was die wohl nachhaltigsten Überbleibsel der Donaumonarchie sind: jene kulinarischer Natur, vom böhmischen Knödel bis zum ungarischen Gulasch.