Das grüne "Auge" unseres riesigen Hornyphon-Radiogerätes wird mir ewig erinnerlich sein. Nicht wegen der Feineinstellungen der Sender. Dieses magische Signal verbinde ich heute noch mit dem Ruf des Kuckucks. Der Ruf war die Ankündigung eines der vielen Fliegeralarme über den öffentlichen Rundfunk. Ertönte dieser Ruf im Radio, so folgte unmittelbar die schrille Stimme der Hausmeisterin und Luftschutzwartin, Frau Wittke: "Fliiiiieeeeeegeralaaaarm . . ."

Danach erinnere ich mich nur ganz vage an ein hektisches Herumrennen und Herumirren. Aus den Erzählungen meiner Mutter weiß ich heute, dass sie im Alarmfall mit meinem Großvater und meiner geliebten "Großi", immer den Luftschutz-Hauskeller in einer nahen Straße aufsuchten. Derartige Hauskeller galten ja in der Volksmeinung als "bombensicher".

Melichar
Melichar

So ist der 12. April 1944 herangekommen. Kuckucksruf im Radio - "Es wiad eh nua wieda a Alarm sein." Den weiteren Verlauf der Ereignisse an diesem Tag erzählte mir Mama erst lange nach dem Kriegsende: Es war kein Fehlalarm! Der Alarm galt einem Bombenangriff auf meinen Heimatort Fischamend. Mama eilte, wie oftmals geübt, mit mir im "Kindersportwagerl" in den Hauskeller. Dort musste sie vom Hausbesitzer hören, dass der Keller bereits randvoll besetzt sei: "Frau Melichar, i kaun ihna mit dem Buam nimma in den Kölla einilossn, mia haum kan Plotz mea . . ."

Die Abweisung hat unser Leben gerettet. Mama suchte in ihrer Not mit der gesamten Familie einen wegen der Fremdarbeiter gefürchteten Luftschutzstollen der Wiener Neustädter Flugzeugwerke (WNF) am Ortsrand auf. Dort waren wir tatsächlich bombensicher untergebracht. Der Hauskeller aber erhielt einen Volltreffer und die Kinder, die sich nahe der Tür aufgehalten hatten, waren allesamt tot.

Dieser WNF-Stollen in der Enzersdorferstraße sollte später eine Art zweite Heimat für uns werden, bis die Russen da waren. An diese Zeit erinnere ich mich ziemlich genau. Eines Tages wurde unsere Wohnung in einer Zinskaserne von russischen Soldaten besetzt. Sie saßen im Kreis auf dem Fußboden unseres Schlafzimmers und wollten unterhalten werden. Mir wurden vom Opa zwei Kochlöffel in die Hand gedrückt, ich strich sie inmitten der Besatzer wie eine Geige und sang dazu: "I bin a Fischersjunge, steh auf in olla Fruah, geh aussi zu mein Bacherl und schau den Fischerln zua..." So wurde ich zum Liebling der russischen Soldaten und meine Mama blieb vor allen Übergriffen verschont.

Prof. Adalbert Melichar, (Jg. 1942)
Kulturamtsdirektor i. R.
2401 Fischamend