Die Auflösung der langen Herrschaft der Habsburger über zuletzt rund 676.000 km² und 52 Mio. Einwohner geschah in vier Wochen, ab Mitte Oktober 1918. Sie kam nicht unerwartet, aber doch für alle überraschend und unvorbereitet - mit Ausnahme der tschechischen Emigration, die unter Thomas Masaryk und Edvard Bene auf die Loslösung hingearbeitet hatte.
Der Weltkrieg war Katalysator der zum Zerfall der Donaumonarchie führenden Entwicklungen. Diese begannen 1867, als Kaiser Franz Joseph nach der Niederlage von Königgrätz den Ausgleich mit Ungarn eingehen musste. Ungarn wurde im damit geschaffenen Doppelstaat ein Veto-Recht de facto nicht nur in den gemeinsamen Angelegenheiten (Außenpolitik, bewaffnete Macht und deren Finanzierung) eingeräumt: Der 1867 bei der Krönung auf die ungarische Verfassung abgegebene Eid band Franz Joseph auch an die auf der Dominanz des ungarischen Adels beruhende Machtverteilung. Sie verunmöglichte jede Demokratisierung und die Besserung der Stellung der Nationalitäten (in der ungarischen Reichshälfte zusammen 50 Prozent).
Segregation als Maxime
Die zweite Bruchlinie war ähnlich: In der österreichischen Reichshälfte setzten sich die Deutschsprachigen, obwohl mit ca. 30 Prozent in der Minderheit gegenüber den Nord- und Südslawen, gegen diese regelmäßig durch. Im Reichsrat, wo die Wahlrechtsreformen bei weitem nicht zu einer gleichen Vertretung aller Bürger geführt hatten, wurden fast alle Versuche der Wiener Regierung zu einer Verbesserung der Lage der Nationalitäten torpediert. Dort wie in den Landtagen stellte niemand das Nationale zurück; Segregation statt Integration blieb die Maxime.
Nach Kriegsbeginn trafen die Standgerichtsurteile meist Angehörige der Nationalitäten, denen Kollaboration mit dem Feind vorgeworfen wurde. Für das Ausland war die Monarchie der "Völkerkerker". Als Kaiser Karl im Manifest am 16. Oktober 1918 endlich eine Umgestaltung zu einem (monarchischen) Bundesstaat in Aussicht stellte - mit Aussparung der ungarischen Länder, deren Verfassung er bei seiner Krönung bereits am 31. Dezember 1916 beeidet hatte -, waren die Antworten der slawischen Politiker nur mehr "Zu spät, Majestät".
Eine weitere, den österreichischen Teil der Monarchie stetig schwächende Entwicklung war die wachsende Abstinenz des Hochadels von öffentlichen Ämtern. Sie reichte bis ins allerhöchste Haus: Von den etwa 120 Erzherzögen hatte kaum ein Dutzend andere als Repräsentativfunktionen. Der Kreis um den Kaiser, aus dem er seine Regierungen besetzen konnte, wurde immer kleiner und älter; in Ungarn war er zudem von der Mehrheit im Parlament abhängig.
