Was sind die wichtigsten Parallelen zwischen der Monarchie und der heutigen EU?

Sicher das Verständnis von Zentralgewalt und Föderalismus, und dann gleich die erstaunliche Tatsache, dass eine übernationale Struktur über einen so langen Zeitraum zu bestehen vermochte. Beides macht die Monarchie für heute so interessant.

Die Eliten und Institutionen von Monarchie wie Republik werden erstaunlich häufig als Vertreter und Verkörperungen eines "Operettenstaats" porträtiert und verunglimpft, manchmal liebevoll, manchmal gehässig. Der geflügelte Satz, wonach die Lage zwar hoffnungslos, aber nicht ernst sei, prägte damals und prägt bis heute das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat. Haben Sie als Historiker eine Erklärung für diese erstaunliche Kontinuität?

Vielleicht die, dass sich die österreichische Geschichte mit Helden schwertut. Die letzten hundert Jahre der Monarchie sind reich an Niederlagen, an großen wie kleinen, und arm an Siegen. Bis auf Prinz Eugen, den siegreichen Feldherren in den Kriegen gegen die Osmanen, hat es kein militärischer Anführer geschafft, sich im kollektiven Bewusstsein als Held zu verankern. Allenfalls noch Feldmarschall Radetzky, aber der hat eben auch seine Schattenseiten, weil er die Revolution von 1848 blutig niederschlug. Natürlich wurden die Habsburger überhöht, besonders Kaiserin Maria-Theresia als zweite "Magna Mater Austria". Dass es gleichzeitig immer auch zu einer ironischen Unterwanderung der Mächtigen gekommen ist, auch zu einer Selbstironisierung, muss aber wohl auch mit dem Naturell der Österreicher zu tun haben; jedenfalls unterscheidet uns das erheblich von den Deutschen, wobei es da auch innerhalb Österreichs ein starkes Ost-West-Gefälle gibt.

Worin besteht der Zusammenhang zwischen dem Helden-Defizit und dem (ost-)österreichischen Hang zur Selbstironie? Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn diese über hundert Jahre fast verlässlich als Verlierer vom Schlachtfeld zieht, und es aber trotzdem gelingt, ein Reich zusammenzuhalten?

Die Fähigkeit zur Selbstironie ist ein Zeichen von Selbstbewusstsein. Das ist die Voraussetzung dafür, die eigene Schwäche pointiert in den Vordergrund zu rücken. Und auch Niederlagen haben einen, wenigstens relativen Vorteil: Man kann aus ihnen lernen, dass es trotzdem weitergeht. Gerade in der Spätphase der Monarchie, die zugleich eine Zeit der kulturellen und wissenschaftlichen Hochblüte war, gab es zahlreiche Satirezeitungen, die die politischen Themen entsprechend aufarbeiteten.

Beim Blick auf 100 Jahre Republik wird stets der Bruch betont. Gleichzeitig sind die institutionellen und strukturellen Kontinuitäten enorm, welche Monarchie und Republik verbinden: Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, wichtige Teile der Verfassung, zentrale Einrichtungen wie Rechnungshof, Verfassungsgerichtshof, die Verwaltungsebenen der Bezirke und Gemeinden, nicht zu reden von den Parteien: Sie alle haben ihre Wurzeln in der Monarchie.