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Der falsche Prüfling

Von Daniel Bischof

300 Euro habe er pro abgelegter Prüfung kassiert, gab der angeklagte Mann zu.
© adobe stock/Africa Studio

Chinesisches Paar trat für Landsleute bei Deutschprüfungen an. Am Montag wurde es verurteilt.


Wien. Es ist ein mit Kuriositäten gespickter Fall, über den Strafrichter Andreas Hautz am Montag am Wiener Straflandesgericht zu urteilen hat. Angeklagt ist ein junges Paar aus China, das für Landsleute zu Deutschprüfungen angetreten ist, um ihnen zu Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen zu verhelfen. Sie müssen sich wegen Gebrauchs fremder Ausweise, Fälschung eines Beweismittels und entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt verantworten.

Die beiden Studenten, die seit einigen Jahren in Wien leben, zeigen sich geständig. Der 24-jährige Mann schildert, dass er eines Tages einen Landsmann - er wurde mittlerweile rechtskräftig zu 21 Monaten Haft, davon sieben Monate unbedingt, verurteilt - kennenlernte. Er könne für andere Chinesen zu Deutschprüfungen antreten und dafür Geld kassieren, habe der Mann ihm vorgeschlagen. Der Student willigte ein.

Ausgeklügelt war das System dahinter nicht. Der Mann erhielt im Vorfeld den Pass oder Personalausweis des Kandidaten und zeigte ihn bei der A1- oder B1- Prüfung her. Der Student übernahm die Männer, seine 23-jährige Freundin die Frauen. In einigen Fällen ging das gut, da sich Kandidat und Student ähnlich sahen, heißt es im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien. Manchmal flog der Schwindel aber auf.

"Wir sind Chinesen"

Während der Angeklagte zugibt, 300 Euro pro abgelegter Prüfung kassiert zu haben, bestreitet das seine Freundin. "Warum haben Sie das dann gemacht?", will Hautz wissen. "Mein Freund hat gesagt, wir sind Chinesen." Man müsse seinen Landsleuten helfen, dann bekomme man auch etwas dafür zurück, habe er gemeint.

Etwas skurril mutet an, dass die Studenten vor Gericht nicht auf Deutsch befragt wurden, sondern auf Chinesisch antworten, weil ihre Deutschkenntnisse doch etwas eingeschränkt sein dürften. Laut eigenen Angaben studiert der 24-Jährige in Wien "Verkehr und Umwelt". "Verstehen Sie da die Vorlesungen?", fragt Hautz. "Ja", meint der Angeklagte.

Vor Gericht müssen sich auch ein 51-jähriger Mann und eine 39-jährige Frau verantworten, die das Angebot der beiden Studenten in Anspruch genommen hatten. Der Mann ist als Koch in einem Chinarestaurant tätig. Er habe ja versucht, Deutsch zu lernen, meint er. Aber durch die viele Arbeit sei er sehr beschäftigt gewesen: "Und Deutsch ist sehr schwer."

"Lerne jetzt wirklich Deutsch"

Auch die Frau, eine Kellnerin, erklärt, sie habe aufgrund ihrer Arbeit und Schwangerschaft schlicht keine Zeit dafür gehabt. Mittlerweile hat sie die Prüfung nachgeholt - und auch der Koch gelobt Besserung: "Ich lerne jetzt wirklich Deutsch." Die beiden werden zu jeweils zwei Wochen Haft auf Bewährung verurteilt. Auch eine Diversion wäre denkbar gewesen, aus generalpräventiven Gründen sei aber eine bedingte Haftstrafe angemessen, hält Hautz fest: "Das ist ein Signal nach außen."

Der 24-jährige Student fasst elf Monate, davon zehn Monate bedingt aus, seine Freundin wird zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Die beiden saßen seit gut einem Monat in Untersuchungshaft, nach der Urteilsverkündung können sie beide daher das Gefängnis verlassen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.