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"An Brutalität kaum zu überbieten"

Von Daniel Bischof

Einweisung und 20 Jahre Haft für Mann wegen zweifachen Mordversuchs.


Er könne sich selbst nicht erklären, warum das passiert sei, sagt der Angeklagte. "Ich wollte nie jemanden verletzen. Das wollte ich nie machen", beteuert er. "Sie haben es aber gemacht", entgegnet ihm der vorsitzende Richter Ulrich Nachtlberger. Der Angeklagte B. stockt. "Es tut mir leid", sagt er dann.

Die Suche nach einer Erklärung für zwei brutale Gewalttaten gestaltet sich am Dienstag am Wiener Straflandesgericht schwierig. B. hat Ende Dezember 2018 in Wien zwei Frauen attackiert. Seinem ersten Opfer schlug er in Margareten mit einer Eisenstange auf den Hinterkopf. Als die Frau benommen zu Boden sank und wieder aufzustehen versuchte, prügelte er mit der Stange auf ihr Gesicht ein. Nur einen Tag später schlug er einer weiteren Frau im Resselpark mit einem Maurerhammer auf den Kopf. Beide Frauen wurden schwer verletzt, das erste Opfer lebensbedrohlich. Die Taten seien "an Brutalität kaum zu überbieten", sagt die Staatsanwältin.

B. wird dafür am Dienstagabend wegen zweifachen Mordversuchs und schweren Diebstahls zu 20 Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich wird er in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

"Die Frau hat mir leidgetan"

B. zeigt sich geständig. Der 43-Jährige schildert flüssig und in einfachen Sätzen die Attacken. Nur wenn es um das Warum hinter den Taten geht, hadert er mit seinen Antworten. B. ist mehrfach vorbestraft, wobei es sich bei den bisherigen Taten um Eigentums- und keine Gewaltdelikte handelte.

"Ich bin immer nur einbrechen gewesen", sagt B. über sich selbst. Acht Jahre seines Lebens verbrachte er bisher bereits in Haft. Im Mai 2018 kam der vierfache Familienvater erneut aus dem Gefängnis frei. Der Sachwalter seiner Lebensgefährtin habe aber verhindert, dass er wieder zu ihr ziehe, sagt B. Er kam daher in einer betreuten Wohngemeinschaft unter.

Im Winter 2018 begann der Österreicher, nachts mit dem Fahrrad durch Wien zu fahren. Er habe nicht mehr einschlafen können und sei sexuell frustriert gewesen, meint B. Also habe er Frauen fragen wollen, ob sie mit ihm schlafen, doch habe er sich nicht getraut, sie anzusprechen.

Auch in den frühen Morgenstunden des 30. Dezembers fuhr B. wieder herum. Eine Eisenstange hatte er bei sich. "Damit die Frauen Angst bekommen", sagt er. "Warum?", fragt Richter Nachtlberger. "Das kann ich nicht beantworten", meint B. In der Nähe des Margaretengürtels verfolgte er eine Frau und attackierte sie. Nachdem sie zusammenbrach, "habe ich durch die Panik von ihr noch zwei oder drei Mal hingehaut". Die lebensbedrohlich verletzte Frau wollte B. vergewaltigen. Er habe es dann aber nicht getan, "weil die Frau mir leidgetan hat".

B. stahl ihr die Brieftasche und das Handy. Zugleich rief er die Rettung, wobei er angab, die Verletzte zufällig am Gehsteig gefunden zu haben. Ohne rasche ärztliche Hilfe wäre die Frau verstorben, erklärt Gerichtsmediziner Christian Reiter. Die Frau lag drei Wochen im künstlichen Tiefschlaf, ehe ihr Überleben gesichert war.

Aufgrund der Attacke ist sie entstellt. Sie leide an Albträumen und Panikattacken, erklärt sie. Von den Übergriffen weiß sie nichts mehr. Vor Gericht zeigt sie sich hoffnungsvoll: "Ich möchte wieder selbständig werden, selbst leben, arbeiten, in die Arbeit fahren können."

"Habe ihr eine gegeben"

In der Nacht des 31. Dezembers kam es zur zweiten Attacke. "Ich wollte eigentlich keine zweite Tat machen", sagt er. Doch habe ihn im Resselpark eine Frau "komisch von der Seite angeschaut". Daher habe "ich ihr eine mit dem Maurerhammer von hinten gegeben". Die Frau wurde schwer verletzt, konnte aber mit Mühe flüchten.

B. verbrachte den Silvesterabend nach dem Angriff mit seiner Familie. Vor der Polizei zeigte er sich über die zweite Attacke belustigt: "Es hat mir getaugt, dass die Frau ein paar Mal auf die Fresse gefallen ist. Das habe ich lustig gefunden. Sonst habe ich keine Gefühle dabei empfunden." Nun betont er vor Gericht, sich reumütig zeigend: "Wenn man die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich das machen." Die Frau leidet aufgrund der Attacke an einer posttraumatischen Belastungsstörung. "Sie traut sich nicht mehr, irgendwo hinzugehen," sagt Reiter.

Den Tatausführungen liege eine "enorme emotionale Kälte" zugrunde, betont der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann. Er hat B. begutachtet. Dieser leide aber an einer "hirnorganischen Persönlichkeitsstörung", die auch bei der Tat handlungsbestimmend gewesen sei. B., der "desaströsen sozialen Verhältnissen entstammt" und seine Kindheit in Heimen verbrachte, hatte bereits im Kindesalter eine Gehirnhautentzündung. Da B. weiterhin gefährlich sei, empfiehlt Hofmann dessen Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Der 43-Jährige sei trotz seiner Erkrankung aber zurechnungs- und damit schuldfähig: "Er konnte das Unrecht seiner Taten erkennen und danach handeln."