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Wie es zur Anklage gegen Strache kam

Von Daniel Bischof

Ab 6. Juli muss sich der Ex-Vizekanzler wegen des Vorwurfs des Gesetzeskaufes verantworten. Die Genese der Vorwürfe.


Ruhig ist es um ihn geworden. Seit Heinz-Christian Strache den Einzug in den Wiener Gemeinderat bei den Wahlen 2020 verpasst hat, ist der medial einst omnipräsente Ex-FPÖ-Chef weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Ab 6. Juli ist dem Ex-Vizekanzler aber wieder Aufmerksamkeit gewiss: An diesem Tag startet am Wiener Straflandesgericht ein Strafprozess wegen eines vermuteten Gesetzeskaufes gegen Strache.

In dem Prozess geht es nicht um die Aussagen, die Strache im Ibiza-Video im Juli 2017 getätigt hat. Sie hatten für Strache keine strafrechtlichen Konsequenzen. Die nunmehrige Anklage gegen den Ex-Spitzenpolitiker hat eine andere Genese.

Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos langte bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine anonyme Anzeige ein: Zwischen türkis-blauen Politikern, darunter Strache, und dem Glücksspielkonzern Novomatic habe es illegale Absprachen gegeben, so der Vorwurf. Dem Casinos-Anteilseigner Novomatic soll ein Entgegenkommen bei der Vergabe künftiger Glücksspiellizenzen versprochen worden sein. Dafür soll Novomatic die Bestellung des FPÖ-Politikers Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria unterstützt haben. Sämtliche Beschuldigte bestreiten die Vorwürfe, das Strafverfahren läuft noch.

Kampf um Aufnahme in Fonds

Im Zuge der Casag-Ermittlungen wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, unter anderem bei Strache. Dabei wurde dessen Handy sichergestellt. Zehntausende Chats wurden darauf gefunden - darunter auch Nachrichten zwischen Strache und Walter Grubmüller, dem Betreiber der Privatklinik Währing in Wien.

Diese Chats sind maßgeblich für jene Ermittlungen, die nun zu der Anklage führten. Grubmüller, ein ehemaliger Rennfahrer und Glücksspielmanager, ist seit längerem mit Strache befreundet. Im U-Ausschuss wurde Grubmüller im Oktober 2020 befragt. Dort gab er an, die Privatklinik Währing im Jahr 2011 aus der Insolvenz herausgekauft zu haben.

Anschließend versuchte Grubmüller, mit seiner Klinik in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) aufgenommen zu werden. Spitäler, die Teil des Prikrafs sind, haben nämlich finanzielle Vorteile: Sie erhalten von den Sozialversicherungen Geld, sofern sie medizinisch notwendige Leistungen an Pflichtversicherte erbringen. Voraussetzung für die Aufnahme ist ein Vertrag der Klinik mit der Wirtschaftskammer und der Sozialversicherung.

Jahrelang wurde die Klinik nicht in den Prikraf aufgenommen. Grubmüller sah den Grund darin, dass er keine Schmiergelder, die ein ÖVP-naher Lobbyist und Kammerfunktionäre von ihm gefordert hätten, gezahlt habe. Die Wirtschaftskammer erklärte, dass die Vorwürfe "konstruiert" und "seit Jahren widerlegt" seien. Eine Aufnahme der Klinik wäre nur bei einer Erhöhung des Fondsvolumens möglich gewesen.

Auch mit Strache sprach Grubmüller über seinen Kampf um den Prikraf. Dieser sei der Einzige gewesen, der ihn "ernst genommen" habe, sagte der Unternehmer vor dem U-Ausschuss. Bereits im Februar 2017 setzte sich Strache öffentlich für die Aufnahme der Klinik in den Prikraf ein. Wenige Monate später, im Sommer 2017, spendete Grubmüller den Freiheitlichen 10.000 Euro.

Während der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen im Herbst 2017 standen die beiden wieder in Kontakt. Strache schrieb Grubmüller: "Welches Bundesgesetz wäre für dich wichtig", damit die Klinik "fair behandelt wird?" Grubmüller antwortete, er werde die Gesetzesänderung in der Parteizentrale hinterlegen. Danach tauschten sich Grubmüller und Strache weiter aus. Der Unternehmer lud Strache zu Reisen nach Korfu und Ibiza ein und erkundigte sich nach dem Spendenkonto der FPÖ für die EU-Wahl 2019.

Im Oktober 2018 wurde der Prikraf um 15 Millionen Euro aufgestockt und die Privatklinik Währing darin aufgenommen. Die WKStA ortet einen Gesetzeskauf: Sie hat Strache wegen Bestechlichkeit und Grubmüller wegen Bestechung angeklagt. Strache und Grubmüller weisen den Vorwurf zurück. Sie erklären, dass die Reise nach Korfu nie zustande kam und Strache für den Flug nach Ibiza selbst bezahlt habe.

Prozess auf vier Tage anberaumt

Laut Ex-Vizekanzler Strache sei auch schon im türkis-grünen Regierungsprogramm festgelegt worden, dass man die Ungleichheiten im Bereich des Prikraf abbauen habe wollen. Grubmüller erklärte, schon an alle politische Parteien außer der ÖVP gespendet zu haben, erwartet habe er sich davon nichts. Der am 6. Juli startende Prozess ist auf vier Tage anberaumt. Im Falle eines Schuldspruches drohen den Angeklagten Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.