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Der Kanzler und der "Prätorianer"

Von Daniel Bischof und Simon Rosner

Warum das Verhältnis von Kurz zu Schmid bei den WKStA-Ermittlungen eine zentrale Bedeutung hat.


Unschöne Wechsel an der Parteispitze haben die ÖVP und auch andere Fraktionen schon zuhauf erlebt. Insofern sticht der unharmonische Wechsel an der ÖVP-Spitze von Reinhold Mitterlehner zu Sebastian Kurz nicht heraus. Was ihn von bisherigen Machtkämpfen unterscheidet, ist, dass dabei die Grenzen des Strafrechts überschritten worden sein könnten.

Davon geht die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aus, die gegen Kurz und neun weitere Beschuldigte ermittelt. Am Freitag wurden neue Dokumente öffentlich, die Einblick in die Ermittlungen geben. Zwei Berichte der WKStA, sie umfassen insgesamt 490 Seiten, liegen der "Wiener Zeitung" vor. Sie sind Teil des Ermittlungsakts und gehen ausführlicher auf die Vorwürfe ein als die Anordnung der Hausdurchsuchung, die am Mittwoch unter anderem im Kanzleramt durchgeführt wurde.

Die WKStA geht im Kern zwei Vorwürfen nach. Kurz und seine Vertrauten sollen für den späteren Kanzler günstige Umfragen illegal mit Steuergeldern finanziert haben. Diese Umfragen sollen dann in der Tageszeitung "Österreich" im Gegenzug für Inserate des Finanzressorts veröffentlicht worden sein. Kurz dementiert.

Zweck der Umfragen soll gewesen sein, Außenminister Kurz in seinem Kampf um die Obmannschaft in der ÖVP und später um die Kanzlerschaft zu stärken. Dass Kurz an die Spitze drängte, war bereits im Jahr 2016 offenkundig, sowohl innerparteilich als auch in der Öffentlichkeit. In ihren Berichten will die WKStA den strafrechtlichen Aspekt der Machtübernahme herausarbeiten.

Im Zentrum der Vorwürfe steht Thomas Schmid, der zum damaligen Zeitpunkt Generalsekretär im Finanzministerium war. Auf die bei ihm sichergestellten Handychats stützt sich ein Großteil der Ermittlungen. Mit ihm stehen oder fallen auch die Anschuldigungen gegen Kurz: Die WKStA wirft Kurz vor, Schmid zu den Tathandlungen angestiftet zu haben.

Um das glaubhaft zu machen, setzt die WKStA in ihren Berichten auch darauf, Kurz ein enges Verhältnis zu Schmid nachzuweisen. Ein eigenes Unterkapitel behandelt das auf zwölf Seiten. Rein formal hatte Kurz mit Schmid beruflich wenig Berührungspunkte: Kurz war im Jahr 2016 Außenminister, Schmid Generalsekretär im Finanzressort.

Wie eng war die Freundschaft?

Vor dem U-Ausschuss hatte der Kanzler sein Verhältnis zu Schmid derart beschrieben: Er sei kein Jugendfreund, noch fahre man gemeinsam auf Urlaub, "aber ich würde sagen, wir haben immer freundschaftlich gut zusammengearbeitet".

Die WKStA ist aber davon überzeugt, dass Kurz und Schmid "seit vielen Jahren gut befreundet" sind, wie es im Akt heißt. Die Staatsanwaltschaft beruft sich in ihrer Wertung der Beziehung unter anderem auf zwei gemeinsame Wanderungen, die via Chats dokumentiert sind. Zudem hätten beide "regelmäßig sehr persönliche Geburtstags- und Neujahrswünsche" ausgetauscht. In einer Silvesternachricht an Schmid 2016 bedankt sich Kurz sogar für die Freundschaft. Allerdings klingt die Nachricht insgesamt fast eher förmlich: "Lieber Thomas! Ich wünsche dir und deinen Lieben einen guten Rutsch & uns allen ein hoffentlich erfolgreiches Jahr 2017! Danke für deine Freundschaft!"

Schmid war laut WKStA jedenfalls unabdingbar für Kurz’ Vorhaben: Kurz habe damals nämlich noch keinen Zugang zu Geldern der ÖVP gehabt, um sich für ihn günstige Umfragen finanzieren zu können. Daher habe er Schmid gebraucht, der im Finanzressort das nötige Geld aufstellen konnte.

Die Freundschaft sei durch ein "eindeutiges Über- und Unterordnungsverhältnis" geprägt gewesen, schreibt die WKStA. Sie verweist darauf, dass sich Schmid selbst als "Prätorianer" des ÖVP-Politikers bezeichnet habe. Wie aus den von der WKStA zitierten Chats ersichtlich ist, umgarnt Schmid Kurz mehrfach und überschüttet ihn mit Lob.

Politisch fragwürdige Methoden

Um das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Männern nachzuweisen, berufen sich die Ermittler auf Chats, in denen sich Kurz und Schmid über politische Pläne austauschen. Diese sind strafrechtlich vielfach nicht von Bedeutung, offenbaren aber ein politisch fragwürdiges Verhalten. Dass sich die Nachrichten in einem Ermittlungsakt finden, hat laut WKStA den Grund, dass bei "einer isolierten Prüfung der einzelnen Chats teilweise beweisrelevante Zusammenhänge, die sich oft erst aus dem Ganzen ergeben, sonst nicht ersichtlich gewesen wären".

Im Juni 2016 berichtet Schmid etwa Kurz über ein Verhandlungsergebnis zwischen dem damaligen Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zur Verwendung der Bankenabgabe für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung. "Mega Sprengstoff", schreibt Schmid. Kurz, damals Außenminister, antwortet: "Gar nicht gut!!! Wie kannst du das aufhalten?", dann schreibt Kurz erneut an Schmid: "Bitte. Kann ich ein Bundesland aufhetzen?" Schmid darauf: "Das sollten wir - wir schicken deinen Leuten heute auch noch die Infos."

Aus den Chats ist auch zu deuten, dass das Ziel, Sebastian Kurz an die Spitze der Partei zu hieven, um mit ihm das Kanzleramt für die ÖVP zurückzuerobern, für den Spitzenbeamten Schmid und seine Chat-Partner von alles überragender Bedeutung war. Sie widmeten sich in ihrer Dienstzeit ausgiebig diesem "Projekt Ballhausplatz".

Auch das ist nicht einzigartig, aber in diesem Fall eben in mehreren Episoden dokumentiert. Einige wurden bereits publik, neu ist, dass Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium versucht hat, einen Fördervertrag für das Institut für Höhere Studien zurückzuhalten, weil sich der damalige IHS-Chef Martin Kocher kritisch zu Wahlkampf-Plänen von Kurz geäußert haben soll. Er war damit, wie auch die WKStA schreibt, nicht erfolgreich.

Schmid auch Aufschneider

Schmid ist stets bemüht, sich vor allem gegenüber Kurz, aber auch anderen Gesprächspartnern, im besten Licht zu präsentieren und seine Erfolge zu verkaufen. Schon bei der Lektüre vergangener Chats, und erneut bei jenen in dem neuen Akt, lässt sich ein gewisses Maß an Aufschneiderei herauslesen. Einmal will er Harald Mahrer, der damals Staatssekretär war, "terrorisiert" haben, ein anderes Mal jubelt Schmid über Umfragen: "Call me Mr Umfrage", schreibt er Kurz.

Bei dem Austausch über ein Gespräch mit dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, das bereits im April öffentlich wurde, jubilierte Schmid gegenüber Kurz, dass Schipka "rot, dann blass, dann zittrig" war. Die Erinnerung des Generalsekretärs war eine andere, er sprach von einem "angenehmen Gespräch", ganz anders als man aus dem Chatverlauf den Eindruck hat."