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Kurz steht ein langes Strafverfahren bevor

Von Daniel Bischof

Ex-Kanzler hat wenig Möglichkeiten, um Ausgang zu beschleunigen. Die "Wiener Zeitung" analysiert mit Strafrechtler Schwaighofer die Lage.


Die Vorwürfe seien "falsch, und ich werde das auch aufklären können", sagte Sebastian Kurz, als er seinen Rückzug als Bundeskanzler verkündete. Eine rasche strafrechtliche Klärung ist aber nicht zu erwarten. Die Ermittlungen werden noch länger über dem ÖVP-Chef schweben. Frühestens im Laufe des Jahres 2022 werde klar sein, ob Kurz in der Inseratenaffäre angeklagt wird oder die Ermittlungen eingestellt werden, erklärten Strafverteidiger gegenüber der Nachrichtenagentur APA.

Auch der Strafrechtler Klaus Schwaighofer von der Universität Innsbruck rechnet mit einer längeren Verfahrensdauer. Diese sei schon aufgrund der Berichtspflichten vorprogrammiert, sagt Schwaighofer zur "Wiener Zeitung". In einer solchen Causa müssten die Vorhabensberichte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an die Oberstaatsanwaltschaft, den Weisungsrat und an das Justizministerium gehen. "Und überall müssen sie beträchtliche Zeit geprüft werden", sagt Schwaighofer.

Die Möglichkeiten zur Verfahrensbeschleunigung sind für Kurz begrenzt. Offen steht ihm ein Antrag auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Er kann unter anderem eingebracht werden, wenn der "Tatverdacht nach Dringlichkeit und Gewicht sowie im Hinblick auf die bisherige Dauer und den Umfang" die Fortsetzung der Ermittlungen nicht rechtfertigt. Weiters darf "von einer weiteren Klärung des Sachverhalts eine Intensivierung des Verdachts" nicht erwartet werden. Geht Kurz davon aus, könnte er einen solchen Antrag in der Inseratenaffäre frühestens sechs Monate nach Beginn der Ermittlungen einbringen.

Antrag "selten erfolgreich"

Ein Einstellungsantrag habe aber "nur ganz selten Erfolg", sagt Schwaighofer: "Eher trägt er zur Verzögerung des Verfahrens bei." Der Antrag samt Gerichtsakt wandern nämlich zum Haft- und Rechtsschutzrichter des zuständigen Straflandesgerichts. "Der Richter braucht wieder eine Zeit lang, um sich die Sache anzusehen und darüber eine begründete Entscheidung zu treffen."

"Wirklich beschleunigen kann man ein Ermittlungsverfahren nur, wenn man ein Geständnis ablegt. Allenfalls, wenn man sich kooperativ zeigt und nicht gegen jede Maßnahme alle Rechtsmittel ausschöpft", erklärt Schwaighofer. Kurz hat sämtliche Vorwürfe bisher aber bestritten.

Während auch die Fellner-Brüder die Vorwürfe in der Inseratenaffäre dementieren, sind von anderen Beschuldigten öffentliche Stellungnahmen ausständig. So auch von Meinungsforscherin B., die vorübergehend festgenommen wurde, wie am Dienstag bekannt wurde. Eine Meldung des "Standard" wurde aus Anwalts- und Regierungskreisen gegenüber der APA bestätigt. Die Festnahme erfolgte, nachdem B. kurz vor der bei ihr durchgeführten Razzia am 6. Oktober die Festplatte ihres Computers gelöscht haben soll. Der Festnahmegrund soll Verdunkelungsgefahr sein.

Könnte einer der Beschuldigten mit der WKStA kooperieren - etwa im Rahmen der Kronzeugenregel? "Das wäre theoretisch schon denkbar", sagt Schwaighofer. Bisher sei die Kronzeugenregelung aber nur in ganz wenigen Fällen angewandt worden: "Sie steht unter vielen Voraussetzungen, die für den Beschuldigten sehr unabwägbar sind."

Schwierige Kronzeugenregel

Die Regel ermöglicht, dass die Strafverfolgungsbehörde von der Verfolgung des Beschuldigten zurücktritt, wenn dieser mit ihr zusammenarbeitet. Er darf dafür zunächst einmal noch nicht einvernommen worden sein. Zusätzlich müsse er mit einem reumütigen Geständnis "in Vorleistung" treten", sagt Schwaighofer: "Er darf dabei nicht bloß die Tatsachen einräumen. Er muss sich deutlich distanzieren und das Büßerhemd anlegen." Anschließend werde geprüft, "ob sein Wissen wesentlich zur umfassenden Aufklärung beiträgt". Dabei komme den Staatsanwaltschaften ein "großer Ermessensspielraum zu".

Die Regel setzt vor allem auch voraus, dass der Beschuldigte "freiwillig sein Wissen über Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind". Er muss mehr auspacken, als bisher schon bekannt ist.

Selbst wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, müssen noch weitere Hürden überwunden werden. Es müsse auch noch geklärt werden, ob der Rücktritt von der Strafverfolgung "spezialpräventiv vertretbar ist nach der Abwägung des Gewichts der eigenen Tat in Relation zum Beitrag zur Aufklärung", so Schwaighofer. Und schließlich könne auch noch der Rechtsschutzbeauftragte seine Zustimmung verweigern. "Das ist also sehr risikoreich und muss gut überlegt werden."

Möglich wäre für Beschuldigte aber auch, abseits der Kronzeugenregel ein reumütiges Geständnis abzulegen. Sollte es zu einer Anklage und Hauptverhandlung und später zu einer Verurteilung kommen, könnte das Geständnis bei der Strafzumessung von den Richtern berücksichtigt werden.

Untreue und Bestechlichkeit

Bei den laufenden Ermittlungen werden diverse strafrechtliche Fragen zu klären sein. Ermittelt wird von der WKStA gegen Kurz wegen Untreue und Bestechlichkeit. Kurz soll ein Bestimmungstäter zu diesen Delikten sein.

Laut WKStA hat Kurz den damaligen Generalsekretär im Finanzressort Thomas Schmid angestiftet, für ihn geschönte Umfragen mit Steuergeldern zu kaufen. Im Rahmen eines Deals mit der Fellner-Mediengruppe sollen diese in der Zeitung "Österreich" veröffentlicht worden sein. Im Gegenzug dafür und eine allgemein wohlwollende Berichterstattung gegenüber Kurz sollen Inserate im Wert von 800.000 Euro vom Finanzressort in der Zeitung geschaltet worden sein. Kurz bestreitet die Vorwürfe.

Eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit setzt gemäß § 304 Strafgesetzbuch unter anderem voraus, dass ein Amtsträger "einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt". "Als Vorteil wird die Berichterstattung im redaktionellen Teil der Zeitung ,Österreich‘ angesehen, die nicht objektiv gewesen, sondern den Interessen von Kurz gedient haben soll", sagt Schwaighofer. Dabei werde vor allem zu untersuchen sein, ob Umfragen für Kurz tatsächlich manipuliert wurden.

"Für den Untreuevorwurf ist von Bedeutung, ob die bei ,Österreich‘ in Auftrag gegebenen Inserate zu hoch bezahlt wurden oder nicht. Beziehungsweise, ob sie überhaupt vom Finanzministerium hätten bezahlt werden dürfen", sagt der Strafrechtler. Hier werde zu prüfen sein, ob die Inserate einen Werbewert gehabt haben oder ob zu viel bezahlt wurde "und womöglich die Kosten für manipulierte Umfragen mitbezahlt wurden".

So sei etwa in der Inseratenaffäre rund um Ex-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ein deutscher Gutachter zur Frage des Werbewerts der Inserate bestellt worden. Auch gelte es zu untersuchen, ob es den vorgeworfenen Deal mit der Fellner-Mediengruppe gegeben habe.