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Was an der Kritik an der WKStA dran ist

Von Daniel Bischof

Strafrechtler können Beschwerde der Justiz-Rechtsschutzbeauftragten am Vorgehen in der Inseratenaffäre einiges abgewinnen.


Mit harten Worten sparte Gabriele Aicher nicht. Die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz sah durch das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Inseratenaffäre "eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten". Die WKStA wies die Kritik bis auf einen Punkt "entschieden zurück". Es werde "ohne ausreichende Tatsachengrundlage missbräuchliches Amtshandeln" suggeriert.

Die "Wiener Zeitung" analysiert Aichers Beschwerde mit den Strafrechtlern Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck und Robert Kert von der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie können die Kritik in einigen Punkten nachvollziehen, in anderen sehen sie das Vorgehen der WKStA von der Strafprozessordnung gedeckt.

Die Beschwerde und die Stellungnahme der WKStA liegen beim Oberlandesgericht (OLG) Wien. Das Gericht entscheidet als Rechtsmittelinstanz darüber. Aicher kritisiert vor allem die beim Medienunternehmen "Österreich" durchgeführte Razzia vom 6. Oktober und die Ermittlungen gegen die Beschuldigten Helmuth und Wolfgang Fellner.

Da wäre zunächst die von der WKStA beantragte und angeordnete Auskunft über Standortdaten. Dabei ging es darum, durch Online-Peilung der Handys der Beschuldigten festzustellen, wo sich die Personen befinden.

Eine solche Maßnahme muss von der Staatsanwaltschaft beantragt und von einem Haft- und Rechtsschutzrichter (HR-Richter) bewilligt werden. Richtet sie sich wie im konkreten Fall aber gegen Medieninhaber oder Journalisten, muss die Staatsanwaltschaft auch die Ermächtigung der Rechtsschutzbeauftragten einholen.

Die Ermächtigung werde von der Staatsanwaltschaft an sich bereits für die Antragstellung an den HR-Richter um Genehmigung benötigt, sagt Schwaighofer: "Zumindest muss sie gleichzeitig eingeholt werden." Jedenfalls aber dürfe die Genehmigung durch den HR-Richter nur bei Vorliegen der Ermächtigung erfolgen.

Ermächtigung wurdenicht eingeholt

Aicher kritisiert, dass ihre Ermächtigung in der Inseratenaffäre nicht eingeholt wurde und dennoch die Maßnahme von der WKStA angeordnet und vom HR-Richter genehmigt wurde. Die WKStA erklärt, das sei "irrtümlich nicht erfolgt". Nach der gerichtlichen Bewilligung sei das "Versäumnis" erkannt und "transparent im Akt" festgehalten worden. Man habe das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) umgehend angewiesen, "die Maßnahme nicht durchzuführen": "Tatsächlich wurden die Standortdaten auch nicht erhoben."

Die Strafrechtler sehen dennoch einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung. Laut Schwaighofer wurde bereits bei der Anordnung durch die WKStA und der Bewilligung durch den HR-Richter aufgrund der fehlenden Ermächtigung nicht gesetzmäßig vorgegangen. "Ob die Peilung tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht, ist nicht das Entscheidende", sagt auch Kert.

Sollte das OLG Wien diese Ansicht teilen, könnte es feststellen, dass eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Große praktische Auswirkungen hätte das zwar nicht, wie Kert ausführt: "Aber man sollte das auch nicht unterschätzen: Es ist wichtig, wenn das OLG feststellt, dass Ermittlungsmaßnahmen rechtswidrig waren. Wozu gibt es sonst die Rechtsschutzbeauftragte und all diese erhöhten Maßstäbe?"

Dringender Tatverdachtnotwendig

Der zweite Kritikpunkt Aichers betrifft die Razzia bei "Österreich". Für diese war zwar keine Ermächtigung einzuholen. Bei einer Online-Peilung als auch bei einer Razzia bei Medieninhabern oder Journalisten muss aber ein "dringender Tatverdacht" vorliegen. Als Berufsgeheimnisträger sind sie nämlich privilegiert: Sie haben ein generelles Recht, die Aussage zu verweigern.

Dieses Recht darf nicht durch Ermittlungsmaßnahmen wie Überwachungen und Beschlagnahmungen umgangen werden. Sie sind nur zulässig, wenn ein dringender Tatverdacht gegen die Betroffenen vorliegt."Es geht um die Pressefreiheit. Es sollte eine Ausnahme sein, dass Journalisten überwacht werden oder sonstige Ermittlungen gegen sie stattfinden", sagt Kert.

In der Praxis gestaltet sich die Abgrenzung zwischen einem dringenden und einem konkreten Verdacht, der für die Beschuldigtenstellung ausreicht, schwierig. Mathematisch lasse sich der notwendige Verdachtsgrad nicht genau festhalten, sagt Schwaighofer. Ein dringender Tatverdacht müsse aber "schon sehr stark" sein. "Der dringende Tatverdacht ist deutlich mehr als der konkrete Verdacht, den ich sonst brauche. Es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass der Beschuldigte die Straftat tatsächlich begangen hat", sagt Kert.

Nach Ansicht Aichers liegt dieser dringende Tatverdacht gegen Helmuth und Wolfgang Fellner aber gerade nicht vor. Eine Ermächtigung zur Online-Peilung hätte sie daher auch nie erteilt, so die Rechtsschutzbeauftragte.

Die WKStA hält fest: "Die Anordnungen enthielten eine ausführliche Begründung der Verdachtslage, so auch zur subjektiven Tatseite (Vorsatz) aller Beschuldigten." Zudem sei die Durchsuchung und Sicherstellung der Beweismittel bei "Österreich" unter strikter Beachtung des Redaktionsgeheimnisses erfolgt.

Skepsis beiBestechungskonstruktion

Laut Kert und Schwaighofer kann am dringenden Tatverdacht gegen die Fellner-Brüder gezweifelt werden. Skeptisch sind sie rund um die Bestechungskonstruktion, welche die WKStA in der Inseratenaffäre gewählt habe. So sei fraglich, ob die wohlwollende Berichterstattung, die Teil eines illegalen Deals zwischen Sebastian Kurz, seinen Vertrauten und den Fellner-Brüder sein soll, einen Vorteil im Sinne der Delikte der Bestechung/Bestechlichkeit darstelle. Der Vorteilsbegriff sei zwar sehr weit, meint Kert. Ob aber eine positive Berichterstattung darunterfalle, ist durch die Rechtsprechung bisher nicht geklärt. Kert spricht von einer "zumindest originellen Konstruktion", für Schwaighofer ist die Bestechungskonstruktion "sehr merkwürdig".

Aicher kritisiert zudem die Aktenführung der WKStA. Sie bemängelt, dass in den einzelnen Verfahren rund um die Causa Casinos und die Inseratenaffäre kein eigener Akt angelegt wurde. Stattdessen führe die WKStA alle Verfahren unter einem Dach. Die Folge sei, dass immer derselbe HR-Richter die Entscheidungen treffe. "Gleiches gilt für das OLG. Auch hier entscheidet in der zweiten Instanz immer derselbe Senat. Damit wird das Recht auf den gesetzlichen Richter systematisch unterlaufen", so Aicher.

Großzügige Regelnbei mehreren Verfahren

"Die gemeinsame Verfahrensführung durch die WKStA dürfte gesetzeskonform sein", so Schwaighofer. Die Regeln über den Zusammenhang von Strafsachen würden weit gehen, "sodass man eher nicht von einer Verletzung dieses Rechts sprechen kann". Die Anlage eines eigenen Akts sei bei "Zufallsfunden im Rahmen einer Sicherstellung" nicht vorgesehen: "In diesem Fall muss nur ein gesondertes Protokoll angelegt werden." Auf solchen Funden basieren die Ermittlungen in der Inseratenaffäre.

"Es ist wohl nicht erforderlich, einen eigenen Akt anzulegen. Aber man könnte den engen sachlichen Zusammenhang zwischen Ibiza und Inseraten-Affäre schon in Frage stellen", sagt Kert. Auch werde wohl nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

Kert und Schwaighofer sind mit der Rechtslage nicht zufrieden. "Es ist keine tolle Lösung, wenn da dutzende Personen Einsicht in den Akt haben." Das schreie im Hinblick auf Leaks danach, "dass da Sachen rausgehen". Und auch aus der Sicht des Rechtsschutzes sei es "nicht optimal, dass das immer über den gleichen Richter läuft", so Kert.

Für Schwaighofer ist es unbefriedigend, dass für die Sicherstellung von Kommunikationsinhalten, im konkreten Fall die Chats auf dem sichergestellten Handy von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid beziehungsweise in der Cloud, nicht strengere Regeln gelten.

Er verweist auf die Regeln für die laufende Überwachung von Telefongesprächen. Diese ist nur zulässig bei dringendem Verdacht einer Vorsatztat, für die eine Haftstrafe von mehr als einem Jahr droht. Zusätzlich ist eine richterliche Bewilligung nötig. Hingegen können die Inhalte von Chats, SMS und E-Mails auf einem Smartphone oder Tablet durch Sicherstellung des Geräts erlangt und ausgewertet werden. Dafür genügen die Anordnung der Staatsanwaltschaft und der einfache Verdacht einer Straftat.

Wissen~ Die Rechtsschutzbeauftragte der Justiz ist beim Obersten Gerichtshof angesiedelt und wird von der Justizministerin auf drei Jahre bestellt. Sie ist unabhängig und weisungsfrei. Zu ihren Aufgaben gehört die Überprüfung von geheimen Ermittlungsmaßnahmen. Dabei nimmt sie stellvertretend die Rechte der Beschuldigten - die ja zunächst nicht wissen, dass gegen sie ermittelt wird - wahr. Weiters prüft sie auch, ob bestimmte Ermittlungsverfahren zu Recht eingestellt wurden.