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Fiasko im Fiskus

Von Daniel Bischof

Untersuchung der Finanz zur Inseratenaffäre zeigt: Studien sind unauffindbar, Zahlungen nicht nachvollziehbar.


Ein fatales Bild zeichnet eine Untersuchung des Finanzministeriums zur Inseratenaffäre. Die Vergabe von Inseraten und Studien durch die Kommunikationsabteilung des Ressorts verlief intransparent. Zwei Studien sind gar unauffindbar, in einem Fall zeigen sich bei der Rechnungslegung schwerste Unregelmäßigkeiten. Ausgaben für Inserate und Kampagnen stiegen zwar rasant an - doch Richtlinien, wie die Kommunikationsabteilung bei der Vergabe vorgeht, gab es nicht.

"Das ist nicht der Standard, den ich anlege, und es entspricht auch nicht meinem Verständnis, wie mit Steuergeld umzugehen ist", sagte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Donnerstag bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten in Wien. Brunner sprach von einem "Strukturversagen" und kündigte an, die Defizite beseitigen zu wollen.

Die Untersuchung war nach Aufkommen der Inseratenaffäre vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am 8. Oktober beauftragt worden. Denn sein Ressort stand im Mittelpunkt der Vorwürfe. Beamte des ÖVP-geführten Ministeriums sollen im Auftrag des damaligen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) ab dem Jahr 2016 ein illegales System hochgezogen haben. Mit Steuergeldern sollen für Kurz günstige Umfragen beauftragt worden sein. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat die Meinungsforscherin Sabine Beinschab diese in enger Abstimmung mit den Kurz-Vertrauten erstellt und falsche Rechnungen an das Finanzressort gelegt. Die Kosten für die Umfragen soll sie in Studien "hineingerechnet" haben. Kurz und andere Beschuldigte bestreiten die Vorwürfe.

Unvollständige Akten

Die interne Revision des Finanzressorts untersuchte in ihrem Bericht alle Studien, die ab dem Jahr 2015 durch die Kommunikationsabteilung vergeben wurden. Die Revision bestand aus der Prüfung relevanter Akten. Gespräche mit Personen fanden nicht statt, damit die laufenden Ermittlungen nicht gefährdet werden.

Die Aktenführung zu den Studien erwies sich als intransparent und unvollständig. In 26 von 28 überprüften Fällen "enthielten die elektronischen Akten keine Studienergebnisse", steht im Untersuchungsbericht. Der Großteil wurde erst auf Nachfrage der internen Revision nachgereicht, in einem Fall jedoch unvollständig. In zwei Fällen konnten die Studien bis heute nicht nachgebracht werden.

Aufgrund der unvollständigen Akten könne die interne Revision in 26 von 28 Fällen nicht davon ausgehen, "dass die Bestätigung der sachlichen Richtigkeit sowie die Genehmigung und Freigabe auf Basis vorhandener Studien erfolgten". Die Kommunikationsabteilung dürfte also die sachliche Richtigkeit und Zahlung bestätigt haben, obwohl die beauftragten Studien (noch) gar nicht vorlagen.

"Ein hohes Maß an Unregelmäßigkeit"

Bei den zwei Studien, die bis heute nicht auffindbar sind, handelt es sich um Studien der Meinungsforscherin Beinschab (mit einem Rechnungswert von 32.000 Euro brutto). Bei einer Studie der Meinungsforscherin zur "Wirtschafts- und Budgetpolitik" stieß die Untersuchung zudem auf "ein hohes Maß an Unregelmäßigkeit". "Sie begann mit einem Angebot von 34.680 Euro brutto und endete nach zehn Rechnungen mit 155.940 Euro brutto", steht im Bericht.

Die Rechnungen für Zusatzleistungen seien "ohne dass näher darauf eingegangen wurde, mit weiteren notwendigen Arbeiten begründet" worden. Diese Studien samt den "Ergänzungsarbeiten" seien nicht im Akt enthalten gewesen, "dennoch wurde die sachliche Richtigkeit bestätigt und die Zahlung freigegeben". "Aus den nachgereichten Unterlagen ist erkennbar, dass die ursprüngliche, undatierte Studie in hohem Maße Fragen zu politischen Parteien und Politikern enthielt und ,Ergänzungsarbeiten‘, soweit nachgeliefert, den sachlichen Zusammenhang zu der ursprünglichen Studie vermissen lassen", so der Bericht. Es handle sich um einen "schrägen Akt", sagte Hannes Schuh, Leiter der internen Revision im Finanzressort.

Neben den Studien wurden von der internen Revision auch die Inseraten- und Kampagnenausgaben des Ressorts untersucht. Der Vorwurf der WKStA lautet nämlich auch, dass die für Kurz günstigen Umfragen im Rahmen eines illegalen Deals in der Tageszeitung "Österreich" veröffentlicht wurden. Für die Umfragen samt einer wohlwollenden Berichterstattung gegenüber Kurz soll das Finanzressort Inserate im Wert von 800.000 Euro geschaltet haben.

Fest steht, dass die Medienausgaben des Ressorts sprunghaft angestiegen sind. Wurden 2015 noch 130.700 Euro für Kampagnen ausgegeben, waren es 2018 bereits 9,66 Millionen Euro. 2015 erhielt die Mediengruppe "Österreich" kein Geld vom Ressort. 2016 waren es bereits 686.500 Euro, 2018 dann 1.092.400 Euro.

"Verdächtigungen nicht entkräftet"

Die Akten zu den Inseraten bei "Österreich" seien unvollständig, so der Bericht. "Die Bestätigung der sachlichen Richtigkeit und die Genehmigung erfolgten stets, obwohl in allen Akten Abzüge bzw. sonstige Darstellungen der Inserate fehlen, Angebote mitunter nicht vorhanden sind oder Angebot und Rechnung unterschiedliche Themen anführen", moniert der Bericht. Bemängelt wird auch, dass die Kommunikationsabteilung bei den Studien und Inseraten ausschließlich Direktvergaben durchführte. "Vergleichsangebote wurden in keinem einzigen Fall eingeholt."

Finanzminister Brunner will als Reaktion auf den Bericht "die Ausgaben für Inserate und Einschaltungen zurückfahren". Auch soll im Ressort ein "stärkeres Augenmerk auf Compliance" gelegt werden. Die interne Revision hat in ihrem Bericht mehrere Empfehlungen ausgesprochen. Darunter die Regelung der Kontrollprozesse für Medienbeschaffungen sowie die Einführung von Controlling- und Qualitätssicherungsberichten.

Der Bericht wurde der WKStA übermittelt. Während sie sich mit den strafrechtlichen Ermittlungen befasst, will die Finanzprokuratur nun auch zivilrechtliche Schritte gegen involvierte Personen prüfen. Die Republik könnte Opfer der Untreue sein, sagt Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur. Denn Steuergelder könnten für rechtswidrige Zwecke verwendet worden sein. Durch den Untersuchungsbericht seien die Verdächtigungen der WKStA nicht entkräftet worden.

Scharfe Kritik am Vorgehen der Revision kommt von Johannes Pasquali, dem derzeit dienstfrei gestellten Leiter der Kommunikationsabteilung. Von allfälligen Vereinbarungen zwischen dem ehemaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid und Beinschab habe er keine Kenntnis gehabt, betonte er in einer schriftlichen Stellungnahme. Außerdem sei er stets von der "rechtmäßigen Verwendung" der Studien ausgegangen. Trotzdem sei er entgegen der Revisionsordnung des Ministeriums nicht zu den Vorwürfen befragt worden. "Zur Aufklärung und zum Verständnis hätte ich gerne beigetragen, doch war dies offensichtlich nicht erwünscht und wurde sogar schriftlich verweigert", so Pasquali.