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Die Justiz kommt nicht zur Ruhe

Von Daniel Bischof

Auch 2022 werden Debatten um Ermittlungen, Behörden und Justizreformen die Innenpolitik bestimmen. Eine Analyse.


Sie standen 2021 im Mittelpunkt. Und auch heuer werden Debatten um die Justiz die Innenpolitik prägen. Dafür sorgt bereits der neue U-Ausschuss zu mutmaßlichen Korruptionsaffären der ÖVP. Im März werden dort die ersten Personen befragt. Ein Kernthema sind dabei die strafrechtlichen Ermittlungen, die gegen (Ex-)Politiker der ÖVP anhängig sind. Darunter die Inseratenaffäre rund um Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Neos wollen aber auch einen mutmaßlich politischen Einfluss auf die Ermittlungen untersuchen. Damit wird erneut der Justizapparat durchleuchtet werden.

Bereits der Verfahrensbericht zum Ibiza-U-Ausschuss hat gezeigt, dass Teile des Justizressorts - zumindest in den letzten Jahren - einem Intrigenstadl glichen. Misstrauen und Hinterlist dominierten das Verhältnis zwischen Vertretern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der ihr übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und des Justizministeriums, das an der Spitze der Weisungskette steht.

Die Beamten zeigten sich gegenseitig an. Eine Dienstbesprechung wurde heimlich aufgezeichnet, die Aufnahme landete bei Medien. Besonders der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, und Ex-Sektionschef Christian Pilnacek standen im Verfahrensbericht in der Kritik. Es habe "die Arbeit der WKStA jedenfalls nicht fördernde, diese aber auch behindernde Verhaltensweisen von Pilnacek und Fuchs" gegeben, hieß es darin. Aber auch die WKStA kam nicht gut weg. Laut dem Bericht wären etwa Probleme der Korruptionsjäger mit polizeilichen Ermittlern mit "Kompromissfähigkeit und Wertschätzung der Arbeit anderer Behörden zu überwinden gewesen".

Pilnacek ist derzeit suspendiert, er kämpft rechtlich dagegen an. Fuchs wiederum wurden Zuständigkeiten entzogen, darunter die Aufsicht über die WKStA. Wie hat sich das auf die Zusammenarbeit ausgewirkt? Das wird im U-Ausschuss Thema sein.

Neue und alte Ermittlungen

Parallel zu den parlamentarischen Untersuchungen laufen die strafrechtlichen Ermittlungen weiter. Das vergangene Jahr hat gezeigt: Überraschungen sind möglich. Die bei Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid gefundenen Handychats sind für die Ermittler Goldes wert. 300.000 Nachrichten sollen es laut Medienberichten sein. Die Auswertung eröffnet immer wieder neue Seitenstränge. Auf die Inseratenaffäre folgten im Dezember die Vorwürfe rund um die Steuerakte von Unternehmer Sigi Wolf.

Neben möglichen neuen Ermittlungen laufen aber die bisherigen Verfahren weiter. In der Inseratenaffäre werden die Ermittlungen wohl noch andauern, alleine aufgrund der umfangreichen Berichtspflichten wird die Causa die Justiz länger beschäftigen. Eine Entscheidung rund um den Vorwurf der falschen Beweisaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss gegen Kurz ist da schon wahrscheinlicher. Denn diese Causa ist inhaltlich überschaubarer als die umfangreiche Inseratenaffäre.

Warten heißt es auch in der Buwog-Affäre. Sie zeigt wie keine andere Causa, dass bei Großverfahren dringender Reformbedarf besteht. Die Vorwürfe wurden erstmals im September 2009 öffentlich. Nach jahrelangen Ermittlungen begann im Dezember 2017 die Hauptverhandlung. Im Dezember 2020 wurde Karl-Heinz Grasser in erster Instanz verurteilt. Bis heute wartet er auf die schriftliche Ausfertigung des Urteils. Andere Verfahren wie der Eurofighter-Komplex ziehen sich ebenfalls seit vielen Jahren.

Großverfahren und Bundesstaatsanwalt

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) meinte in einem "Wiener Zeitung"-Interview bereits im Juli 2020: "Wir wollen bei großen Wirtschafts- und Korruptionsverfahren effizienter werden. Es wird ab Herbst eine Evaluierungsgruppe geben, die sich vergangene Großverfahren anschaut." Im Dezember 2021 kündigte Zadic dann erneut an, dass eine Evaluierung von Großverfahren stattfinde.

Im Sommer 2021 seien bundesweit Staatsanwälte und Ermittler zu ihrer Arbeit bei Großverfahren befragt worden, so ein Sprecher des Justizressorts zur "Wiener Zeitung". Die weitere Evaluierung läuft. "Grundsätzlich ist ein Abschluss des Projektes in diesem Jahr in Aussicht genommen", so der Sprecher.

Keinen Durchbruch gab es bisher auch bei der Reform der staatsanwaltschaftlichen Weisungskette. Diskutiert wird die Einführung eines Bundesstaatsanwalts. Eine Arbeitsgruppe dazu hat im Oktober einen ersten Zwischenbericht vorgelegt. Darin waren erste Überlegungen enthalten, aber keine konkreten Festlegungen. Der Endbericht soll im Sommer 2022 präsentiert werden. Danach stehen wohl heikle Verhandlungen an: Nicht nur ÖVP und Grüne müssen sich einigen. Die Schaffung einer neuen, unabhängigen Weisungsspitze braucht nach Expertenmeinung eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat. Also müsste noch die SPÖ oder FPÖ an Bord geholt werden.

Konkreteres gibt es bei der Reform des Maßnahmenvollzugs. Zadic hat angekündigt, dass in den ersten Monaten 2022 die Regierungsvorlage dazu vorliegen wird. Damit sollen die viel kritisierten Zustände bei der Unterbringung psychisch kranker Rechtsbrecher verbessert werden.

Korruption und Zivilrecht

Weiters wird es laut Zadic im ersten Quartal auch einen Entwurf zur Nachschärfung des Korruptionsstrafrechts geben. Damit sollen Lücken, die etwa rund um die Ibiza-Affäre offenkundig wurden, geschlossen werden. Es soll auch strafbar sein, wenn ein Politiker eine bestimmte Leistung gegen Geld oder sonstige Vorteile zusagt, noch ehe er die Funktion eines "Amtsträgers" innehat. Der Entwurf wurde der ÖVP bereits zur politischen Abstimmung übermittelt.

Bei all dem Fokus auf das Strafrecht bleibt derzeit wenig Aufmerksamkeit für das Zivilrecht. Dabei gibt es auch dort einige spannende Vorhaben. Da wäre das im türkis-grünen Regierungsprogramm angekündigte Bestellerprinzip bei Maklerprovisionen. Es soll künftig nur derjenige zahlen, der den Makler beauftragt. In Aussicht gestellt war die Reform für Anfang 2022. Derzeit ist aber nichts mehr davon zu hören. Ebenso wie vom diskutierten Ende des Verschuldensprinzips bei Ehescheidungen.

Dafür brachte 2022 eine Reform des Wohnungseigentumsgesetzes, die mit 1. Jänner größtenteils in Kraft getreten ist. Sie soll eine einfachere Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft ermöglichen. Weiters beinhaltet sie Erleichterungen beim Einbau von Ladestationen in Mehrfamilienhäusern, bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen und thermischen Sanierung von Gebäuden.