Déjà-vu im U-Ausschuss: In der Untersuchung zu ÖVP-Korruptionsvorwürfen gerieten Volkspartei und Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die am Mittwoch als Auskunftsperson befragt wurde, aneinander. Vertreter der ÖVP setzten nahtlos jene Angriffe gegen den Koalitionspartner fort, die sie bereits im Ibiza-U-Ausschuss im Juni 2021 geführt hatten.
Bekannt wurde am Mittwochabend auch, dass Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, angeklagt wird. Er wurde vom Justizressort mit sofortiger Wirkung suspendiert.
Die ersten Wortgefechte im U-Ausschuss drehten sich zugleich um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Behörde hat der ihr im Ibiza-Verfahren zuarbeitenden Soko-Tape im März sämtliche Ermittlungsaufträge entzogen. Sie begründete ihren Schritt damit, dass die polizeiliche Einheit das Ermittlungsverfahren "systematisch torpediere". Die Soko Tape weist das zurück.
Ob sie diesen Schritt der WKStA unterstütze, fragte Nationalratsabgeordneter Christian Stocker (ÖVP) die Justizministerin. Sie habe großes Vertrauen, dass die Behörde selbst entscheiden könne, wem sie Ermittlungsaufträge erteile, antwortete Zadic.
Wer denn nun in der Causa ermittle, will Stocker wissen. "Die Ermittlungen sind nicht gefährdet", sagte Zadic. Die WKStA könne einerseits selbst ermitteln. Mit dem Innenministerium arbeite man andererseits an einer Lösung, da es für die Durchführung von Zwangsmaßnahmen die Kriminalpolizei brauche.
ÖVP mit Antworten unzufrieden
"Ich halte fest, Sie wissen nicht, wer ermittelt", sagte Stocker. Das sei eine Unterstellung, Stocker möge sie bitte zurücknehmen, beschwerte sich Zadic. Die WKStA könne ermitteln, und welche Polizeieinheit sie dabei unterstütze, werde nun mit dem Innenministerium geklärt, sagte sie. Er nehme das nicht zurück, meinte Stocker.
Mit den Antworten, die Zadic ihm auf seine Fragen gab, war der ÖVP-Politiker zumeist nicht zufrieden. Er monierte, dass Zadic unter Wahrheitspflicht stehe. Die Verfahrensrichterin möge sie bitte darauf hinweisen, so Stocker.
Von Zadic wollte Stocker eine Aufstellung der Verfahren rund um die Ibiza-Ermittlungen haben. Zadic erklärte, keine Zahlen zum Umfang des Aktes geben zu können. "Es wäre schön, wenn sich irgendjemand in Ihrem Ministerium mit all den Verfahren auskennen würde", richtete Stocker der Justizministerin aus. "Ich als Ministerin habe nicht in den Akten herumzustöbern", antwortete Zadic erbost. Sie mische sich nicht in die Aktenführung der Staatsanwälte ein. "Ich habe nicht zu wissen, wie der Akt ausschaut."
Der Konflikt zwischen ÖVP und Grünen wurde von der Opposition gleich aufgegriffen. Fragen zum Zustand der türkis-grünen Koalition würden sich nach Stockers Befragungsrunde erübrigen, meinte Nationalratsabgeordnete Julia Heer (SPÖ).
Vorhabensbericht zur Causa Fuchs
Mehrfach befragt wurde Zadic zu Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwalt Wien. Er soll, wie Chats nahelegen, gemeinsam mit Ex-Sektionschef Christian Pilnacek gegen die ihnen untergeordnete WKStA intrigiert haben. Ihm wurde vom Ressort die Fach- und Dienstaufsicht über die WKStA entzogen, er ist aber weiterhin Leiter der Oberstaatsanwaltschaft. Warum das so sei, wollten gleich mehrere Abgeordnete von Zadic wissen.
Die Vorwürfe gegen Fuchs würden dienst- und strafrechtlich geprüft werden, sagte Zadic. Ein Vorhabensbericht zur Causa Fuchs sei dem Ministerium vorgelegt worden. Mehr könne sie dazu aber in einer medienöffentlichen Sitzung nicht sagen, sagte Zadic.
Am Mittwochabend wurde dann aber bekannt, dass Fuchs angeklagt wird. Infolge dessen wurde er mit sofortiger Wirkung einstweilig suspendiert. Das hat die Medienstelle des Justizministeriums Mittwochabend der APA mitgeteilt. Was ihm genau vorgeworfen wird, wurde nicht kommuniziert. Die Suspendierung wurde dem Obersten Gerichtshof als zuständiges Disziplinargericht zur Kenntnis gebracht. Dieser hat nun darüber zu entscheiden.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hatte im Vorjahr Ermittlungen gegen Fuchs wegen des Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheimnisses aufgenommen. Es stand der Vorwurf im Raum, Fuchs könnte dem bereits suspendierten Justiz-Sektionschef Pilnacek Informationen zu Verfahren - etwa in der Causa Gernot Blümel - weitergeleitet haben. Auch einer vermuteten Falschaussage wurde nachgegangen. Dazu wurden die Ermittlungen im Herbst in Teilaspekten eingestellt.
Behördenleiterin will weitere Verbesserungen
Nach Zadic wurde Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die Leiterin der WKStA, befragt. Sie erklärte, dass es nach den jüngsten Veränderungen bei der Aufsicht beim Ibiza-Komplex – diese hat nun ein Innsbrucker Oberstaatsanwalt inne – eine "erhebliche Verbesserung der Arbeitssituation" eingetreten sei. Es gebe wesentliche Erleichterungen, die man insbesondere im Ibiza-Team der WKStA spüren würde. Es gebe nun keine Nachfragen der Aufsicht mehr, die man überhaupt keinem gesetzlichen Zweck zuordnen könne.
Vrabl-Sanda sieht nun Chancen auf weitere Verbesserungen bei der Organisation der Staatsanwaltschaften. Sie betonte, dass es eine unabhängige Kontrolle der WKStA brauche, möglicherweise könnte diese durch die Gerichte ausgeübt werden, sagte sie.
"Ich denke, wir sollten die Chance nützen, dieses unrühmliche Kapitel abzuschließen, um daraus zu lernen", so Vrabl-Sanda. Weiters forderte die Behördenleiterin erneut eine personelle Aufstockung der WKStA.
Bekannt wurde am Mittwoch, dass die WKStA gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wegen Amtsmissbrauchs ermittelt. Laut "Kurier" ist der Anlass eine Postenbesetzung aus dem Jahr 2017. Damals wurde der Posten der Wiener Vizelandespolizeidirektion neu besetzt. Als Nachfolgerin bewarb sich Andrea Jelinek. Die ÖVP habe sie verhindert, da Jelinek SPÖ-nahe sein soll, auch der damalige Innenminister Sobotka soll damit befasst gewesen sein. Sobotka bestreitet die Vorwürfe und vermutet hinter der Causa politische Motive.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um 20:55 mit den neuesten Informationen aktualisiert.