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"Die WKStA ist ja kein Staat im Staat!"

Von Daniel Bischof

Nach Pilnacek wurde mit Fuchs weiterer Topbeamter suspendiert. "Ein schreiendes Unrecht", meint Ex-OGH-Präsident Ratz.


Strafrechtliche Ermittlungen haben in den vergangenen Monaten bereits einige Karrieren - zumindest vorläufig - beendet. Nun findet sich ein neuer Name auf der Liste: Johann Fuchs, bisheriger Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Fuchs war am Mittwoch vom Justizressort suspendiert worden. Der Grund dafür ist, dass gegen Fuchs eine Anklage erhoben wurde.

Am Donnerstag wurde bekannt, um welche Vorwürfe es konkret geht. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat Fuchs wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss angeklagt. Fuchs soll dem damaligen Sektionschef Christian Pilnacek im Dezember 2020 verraten haben, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Anzeige gegen eine "Presse"-Redakteurin vorbereitet. Die Journalistin hatte einen Artikel geschrieben, von dem sich Vertreter der WKStA angegriffen fühlten. Die Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Wien aber mangels eines begründeten Anfangsverdachts sogleich zurückgelegt.

Die vorgeworfene Falschaussage bezieht sich auf seine Befragung im Ibiza-U-Ausschuss am 10. März 2021. Fuchs wurde dort unter Wahrheitspflicht befragt, ob er die Aktenteile weitergeben habe. Der Beamte erklärte, er könne sich daran nicht erinnern und dies daher weder bestätigen noch ausschließen.

"Fuchs ist ein total anständiger Typ"

In dieser Causa wurde bereits Pilnacek angeklagt. Ihm wird wiederum vorgeworfen, die Anzeige gegen die "Presse"-Journalistin einer "Kurier"-Journalistin verraten zu haben. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck sah auch darin eine Verletzung des Amtsgeheimnisses. Pilnacek wurde im November 2021 freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Ankläger Rechtsmittel gegen den Freispruch erhoben haben.

Pilnacek - gegen ihn sind auch noch weitere Ermittlungen anhängig - ist wie Fuchs suspendiert. Die Suspendierung des OStA-Leiters Fuchs wurde dem Obersten Gerichtshof als Disziplinargericht bereits vom Justizressort zur Kenntnis gebracht.

Nach allem, was er dazu wisse, halte er die Suspendierung für "schreiendes Unrecht", sagte Eckart Ratz. Der Strafrechtsexperte, Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes und Kurzzeit-Innenminister wurde am Donnerstag im U-Ausschuss befragt. Es sei schwer verständlich, dass die Spitze der Weisungskette (Pilnacek im Justizressort) und die nachgeordnete Spitze (OStA-Leiter Fuchs) außer Dienst gestellt worden sei, so Ratz. Er halte sowohl zu Pilnacek als auch zu Fuchs Kontakt: "Der Fuchs ist ein total anständiger Typ."

Fuchs und Pilnacek wird unter anderem vorgehalten, die WKStA mit Berichtspflichten bedrängt und gegen diese intrigiert zu haben. In sichergestellten Chats stellten sie etwa in den Raum, einen Staatsanwalt der WKStA observieren zu lassen.

"Der gehört ja erschossen!"

Wenn es Vorwürfe gebe, müsse Pilnacek als Zuständiger der Fach- und Dienstaufsicht rund um diese Vorwürfe auch ermitteln, sagte Ratz. Erst wenn er das nicht mache, "erst dann kann er außer Dienst gestellt werden", meinte Ratz. Natürlich sei es gemäß der Strafprozessordnung auch möglich, eine Observation gegen Staatsanwälte vorzunehmen.

Wahrnehmungen zu politischen Einflussnahmen auf Ermittlungen hatte Ratz nicht. Über Politiker, die so etwas versuchen, meint er: "Der gehört ja erschossen!" Außerdem würde ein Beamter der Justiz, der parteipolitisch eingeordnet werden könne, dort "kein Standing" haben. Daher halte er auch die WKStA nicht für parteipolitisch verseucht. "Die Ilse kenn’ ich gut" (gemeint ist wohl WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Anm.), "die ist nicht politisch."

Wenn es Fehler in der Justiz gebe, seien sie seiner Lebenserfahrung nach nicht auf "politische Geschichten" zurückzuführen. Von den 40 Leuten der WKStA seien sicher 30 "erstklassige Juristen". Einige schwere juristische Fehlleistungen habe sich die WKStA aber geleistet. Eine davon sei es gewesen, der polizeilichen Soko Tape, die den Anklägern rund um die Ibiza-Ermittlungen zuarbeitete, alle Ermittlungsaufträge zu entziehen. "Die WKStA ist ja kein Staat im Staat!", meinte er. Das sei auf mangelnde Dienstaufsicht zurückzuführen: "Da muss jemand sagen: Geht’s noch!?"

Mit der Diskussion rund um die jüngsten Affären und die Weisungskette ist Ratz unzufrieden. In der Debatte würden medial ständig die Justiz und Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften vermischt werden: "Da wird alles ineinander gehaut", monierte Ratz. Ein besonderes Naheverhältnis zur ÖVP, das ihm von der Opposition nachgesagt wird, bestritt er. Er erklärte, mit Personen jedweder politischer Ausrichtung - so etwa mit Peter Pilz - Kontakt gehabt zu haben. Er helfe gerne und stehe diversen Personen kostenlos mit rechtlichem Rat zur Verfügung.

Sobotka führt weiter den Vorsitz

Weiter an seinem Amt hält Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) fest. Er führt im U-Ausschuss den Vorsitz. Diesen hatte er am Donnerstag teilweise am Vormittag inne. Die Opposition und Grünen fordern, dass er den Vorsitz niederlegt, da gegen ihn wegen Amtsmissbrauchs ermittelt wird. Sobotka soll als damaliger Innenminister verhindert haben, dass eine mutmaßlich SPÖ-nahe Kandidatin einen Posten erhielt. Sobotka bestreitet die Vorwürfe.