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"Früher oder später hätte es gekracht"

Von Daniel Bischof

K. soll geplant haben, Anschläge in Deutschland und Österreich zu verüben.


Wien. Er soll der Staatsfeind Nummer 1, ein Top-Terrorist und hochgefährlich sein: der 19-jährige K., der sich seit Mittwoch vor einem Geschworenengericht des Wiener Straflandesgerichts verantworten muss. K. hat laut Anklage ein Kind dazu angestiftet, einen Selbstmordanschlag im deutschen Ludwigshafen zu versuchen. Auch selbst soll er Attentatspläne verfolgt haben. "Wäre er nicht festgenommen worden, hätte es früher oder später gekracht", so der Staatsanwalt.

So schwerwiegend die Vorwürfe gegen K. sind, so unscheinbar und unauffällig erscheint er vor Gericht. Wie ein durchschnittlicher Jugendlicher wirkt der mutmaßliche Terrorist. Sein Äußeres ist gepflegt, die Haare kurz, kein besonderes Merkmal hebt den 19-Jährigen von der Masse ab. Ganz in Schwarz gekleidet, sitzt er ruhig auf der Anklagebank. Mit unaufgeregter, leiser Stimme beantwortet er alle Fragen.

Doch was geht in dem Kopf des Unauffälligen vor? Was plante er? Handelt es sich bei dem Großteil der Vorwürfe nur um "naives Gebrabbel" und "jugendliche Hirngespinste", wie sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz sagt? Oder wollte K. - so die Anklage - möglichst viele "Ungläubige" mit Anschlägen in den Tod reißen? Über diese Fragen haben die acht Geschworenen zu entscheiden.

K. und der Zwölfjährige

"Wir müssen dankbar sein, dass wir heute hier sitzen und den Prozess führen dürfen", meint der Staatsanwalt. Nur durch Glück seien Anschläge unterblieben. Der Ankläger wirft K. unter anderem die Anstiftung zum Terrormord und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Anklagekomplexe. Einerseits soll K. einen Zwölfjährigen angeleitet haben, eine Nagelbombe auf einem Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen zu zünden.

K. und das Kind hatten über das Internet Kontakt. "K. bestärkte den Zwölfjährigen in seinen radikalen Ansichten", so der Staatsanwalt. Er zitiert dabei ausgiebig aus den sichergestellten Chatprotokollen zwischen den beiden. "Denk doch an die toten Muslime, die kleinen Kinder", schrieb K. etwa dem Zwölfjährigen, nachdem dieser an der Sinnhaftigkeit des Anschlages gezweifelt hatte. "Er hat ihn wieder auf Schiene gebracht", sagt der Staatsanwalt.

Das Kind schlug zudem eine Kirche als Anschlagsziel vor. "K. war damit nicht einverstanden. Er schrieb: ‚Bei euch muss es doch auch Weihnachtsmärkte geben. Viel mehr Menschen dort‘", so der Ankläger. Der Bub versuchte am 26. und 28. November 2016, die Bombe auf dem Markt hochgehen zu lassen. Doch funktionierte sie aufgrund eines technischen Fehlers nicht. Daraufhin deponierte der Bub den Sprengsatz hinter einem Gebüsch, wo ihn die Polizei später sicherstellte.

K. hat laut Anklage auch eigene Anschlagspläne für eine Attacke in Deutschland vorbereitet - mit einem inzwischen 22-jährigen Deutschen, dem derzeit in Deutschland der Prozess gemacht wird, und einer jungen Frau, mit der K. nach islamischen Recht verheiratet ist. Mit dem Deutschen bastelte er eine Bombe und testete sie - mit Erfolg. Die Sache flog auf, weil der Vater der jungen Frau Verdacht schöpfte. Er erstattete Anzeige gegen K.

"Mir war es gleichgültig"

Die deutsche Polizei verhörte ihn, setzte K. aber auf freien Fuß. Er reiste nach Wien zurück. "K. wollte einen neuen Anlauf probieren", so der Ankläger. Als mögliches Anschlagsziel soll K. nun auch Österreich im Kopf gehabt haben. Aufgrund eines Warnhinweises aus Deutschland wurde er im Jänner 2017 in Wien festgenommen.

K. bekennt sich schuldig, Mitglied des IS zu sein. Die restlichen Vorwürfe bestreitet er aber. "Ich habe gar nicht gewusst, dass er zwölf ist. Er hat geredet wie ein Jugendlicher in unserem Alter", sagt K. etwa. Das Kind habe ohne sein Zutun den Anschlag geplant. "Wollten Sie, dass er es macht?", fragt der vorsitzende Richter. "Mir war es gleichgültig", antwortet K. Befehle habe er dem Buben nie gegeben - allenfalls seien es "Tipps" gewesen.

Verteidiger Blaschitz betont, dass die eigenen Anschlagspläne seines Mandanten nie ins Umsetzungsstadium getreten seien: "Er hat freiwillig davon Abstand genommen." Auch sei K. zu einem Großteil das eigentliche Opfer, da er im Internet von einem ranghohen deutschsprachigen IS-Vertreter manipuliert worden sei.

Thematisiert wird am Mittwoch vor allem auch der Werdegang von K. Der gebürtige Albaner und österreichische Staatsbürger wurde 1999 in Wien geboren. Meine Kindheit war schön", sagt K. Mit Religion wusste er nichts anzufangen, problemlos schreitet er zunächst durch die ersten Lebensjahre. 2014 gerät er jedoch in den falschen Freundeskreis. Er wird kriminell. Wegen schweren Raubes wird er zu einer längeren Haftstrafe verurteilt.

In Haft konvertiert

Von der Justizwache und anderen Häftlingen sei er schlecht behandelt worden, so K. Ein Beamter habe einen seiner Freunde sogar in den Selbstmord getrieben. In seiner Verzweiflung habe er durch einen Mithäftling zum Islam gefunden, erzählt K. Er konvertierte und geriet auch mit IS-Sympathisanten in Kontakt. Radikalisiert dürfte er sich aber erst nach seiner Haftentlassung im Oktober 2015 haben. Trotz intensiver Bemühung fand er keinen Job, eine Lehrstelle verlor er nach kurzer Zeit wieder. K. verbrachte immer mehr Zeit im Internet, wo er sich mit IS-Anhängern zusammenschloss. Seine neuen Bekannten hätten ihm das Gefühl vermittelt, "dass mich jemand versteht", so K. Am Donnerstag wird der Prozess mit seiner Einvernahme fortgesetzt, ein Urteil könnte am 12. April fallen.