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Grassers Rundumschlag

Von Daniel Bischof

Der Ex-Finanzminister schoss sich bei seiner Einvernahme auf die Anklage und Peter Hochegger ein.


Wien. Es war ein Rundumschlag, zu dem Karl-Heinz Grasser am Dienstag ausholte. Gegen die Medien, die Staatsanwaltschaft und ihn belastende Zeugen teilte er bei seiner Angeklagteneinvernahme im Wiener Straflandesgericht aus. "Endlich habe ich die Möglichkeit, die Wahrheit darzulegen", sagte der Ex-Finanzminister am 41. Verhandlungstag des Buwog-Prozesses. Grasser bekannte sich nicht schuldig. Zu Beginn machte er von seinem Recht Gebrauch, eine zusammenfassende Darstellung zu schildern – und gab so in einem stundenlangen Monolog seine Sicht der Geschehnisse wieder.

Sehr schwierig sei es für ihn, als Angeklagter vor Gericht zu stehen, sagte Grasser. "Es ist sicherlich die schwierigste Situation in meinem Leben." Das "völlig unverhältnismäßige Verfahren" habe ihn wirtschaftlich zerstört und seine Frau und sein Kind massiv belastet. Er könne keinen Job bekommen, da ein Blick in Google reiche, um zu sehen, was in Österreich gegen ihn los sei.

Als Verbrecher habe man ihn hingestellt und diffamiert, beklagte Grasser. Vorverurteilt sei er worden. "Es ist mir immer so vorgekommen, dass das Verfahren auf einer schiefen Ebene gegen mich gelaufen ist." Teilweise gesetzwidrig sei das Verfahren gewesen, weil es "öffentlich geführt wurde", so der Ex-Politiker.

"Thesen und Spekulationen"

Auf seine Notizen schaute Grasser während seinen Ausführungen kaum, er sprach weitgehend frei. Oft wandte er sich direkt an die Schöffen, die als Laienrichter gemeinsam mit den Berufsrichtern über seine Schuld und eine etwaige Strafe entscheiden. Sehr gefasst und gut vorbereitet wirkte Grasser, während er sich auf die Anklage einschoss. Bereits während seiner Politikkarriere war er für knackige Sprüche bekannt, nun warf er sich erneut mit aller verbalen Kraft in den Ring.

"Mit der Wahrheit hat diese Anklage nichts zu tun", meinte er. Belastende Fakten gebe es nicht, entlastende Beweise würde die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht berücksichtigen. Vielmehr beruhe die Anklage, die ein Kriminalroman sei, auf "Thesen, Spekulationen und Mutmaßungen der Staatsanwaltschaft".

Grasser wird von der Anklagebehörde vorgeworfen, dass er bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog und andere Gesellschaften) im Jahr 2004 insgesamt 2,4 Millionen Euro Schmiergeld kassiert haben soll. Die Buwog-Privatisierung brachte den ebenfalls angeklagten Walter Meischberger und Peter Hochegger 9,6 Millionen Euro an Provision ein. Sie hatten dem letztlich siegreichen Bieterkonsortium rund um die Immofinanz den entscheidenden Tipp gegeben, wie viel es bieten muss, um den Zuschlag zu erhalten.

Das Immofinanz-Konsortium hatte in der zweiten Bieterrunde seinen Konkurrenten knapp ausgestochen: Es bot mit 961,3 Millionen Euro etwas mehr als die CA Immo, die 960,1 Millionen auf den Tisch legte. Laut Anklage erhielten Hochegger und Meischberger die entscheidenden Informationen über das Bieterverfahren vom damaligen Finanzminister Grasser, der nun wegen Untreue, Geschenkannahme durch Beamte und Fälschung eines Beweismittels angeklagt ist.

"Die Staatsanwaltschaft macht mich zum Harry Potter dieser Privatisierung", so Grasser. Doch habe er den Vergabeprozess nicht beeinflusst. Seine Aufgabe bei der Buwog-Privatisierung sei gewesen, den Verkauf politisch zu vertreten und zu kommunizieren. Die Vergabekriterien aber etwa, die seien von den unabhängigen Experten der Vergabekommission erstellt worden. Auf deren Empfehlungen habe er sich bei seinen Schritten immer verlassen.
Die Staatsanwälte würden diese Rollenverteilung nicht verstehen. Das liege daran, dass die Staatsanwälte kein "Know-how in Privatisierungsfragen haben". Jeder Sachverständige würde feststellen, dass man das bestmögliche Ergebnis bei der Buwog-Privatisierung erzielt habe. Grasser vermutet, dass die "Zielgröße" von 960 Millionen Euro am Markt bekannt gewesen ist. Dort habe Meischberger die Information wohl aufgeschnappt.
Dass der Tipp sehr wohl von Grasser gekommen sei, hatte hingegen Hochegger bei seinem Teilgeständnis angegeben. Grasser habe Schmiergeld kassiert, erklärte der Ex-PR-Fachmann.

"Eine Schlange, die sich häutet, bleibt eine Schlange", sagte Grasser über seinen einstigen Geschäftspartner Hochegger. Nach wie vor sei Hochegger ein geschickter PR-Profi. Für Grasser steckt hinter Hocheggers Verhalten ein alter Konflikt. Hochegger habe seine "Gegner" bei der Meinl International Power (MIP) vertreten, wo Grasser selbst Manager war, erklärte der Ex-Politiker. Als er erfahren habe, dass sein damaliger Geschäftspartner Hochegger seine Gegner vertrete, habe er mit ihm gebrochen. Seitdem habe er Hochegger weder getroffen noch mit ihm gesprochen.

Wenig hält Grasser auch vom zweiten Anklagekomplex. Der dreht sich um die Einmietung der Finanzbehörde in das Linzer Bürohaus "Terminal Tower". Grasser soll der Einmietung erst nach einer Schmiergeldzahlung in Höhe von 200.000 Euro zugestimmt haben. Als "Seifenblase" der Staatsanwaltschaft wies er das zurück. Er habe in dieser Causa gar keine Rolle gespielt.

Auch den "gemeinsamen Tatplan", den Grasser mit seinen Vertrauten Meischberger, Hochegger und Ernst Plech ausgearbeitet haben soll, bestritt der Angeklagte. Laut Anklage wurde er zu Beginn von Grassers Amtszeit entworfen, um bei diversen Geschäften mitschneiden zu können.

Der Tatplan sei eine Erfindung, ein Konstrukt der Staatsanwaltschaft, erklärte Grasser: "Er hat der Staatsanwaltschaft gut in ihr Drehbuch gepasst." Zu Beginn seiner Amtszeit habe er überhaupt keine Zeit für die Erstellung eines solchen Plans gehabt. "Ich habe sieben Tage die Woche 16 Stunden gearbeitet."

Belastet wird Grasser hinsichtlich des Tatplans von einem ehemaligen Beamten des Verkehrsministeriums. Dieser hatte im Ermittlungsverfahren ausgesagt, dass Hochegger zu ihm gekommen und ihm die Mitarbeit bei dem Tatplan angeboten habe. Der Beamte lüge und verfolge ihn aus politischen Gründen, sagt Grasser. Der Zeuge sei "ein Roter".

Fionas Kreditkarte

Seine zahlreichen Bareinzahlungen auf seinem Konto erklärte Grasser damit, er habe von seiner Frau, der Swarovski-Millionenerbin Fiona, immer wieder Geld zurückbekommen, wenn er für sie etwas auslegte. So habe er etwa die Hochzeitskosten selbst ausgelegt, das Geld aber dann von seiner Ehefrau in bar zurückbekommen. Auch habe Fionas Kreditkarte immer wieder nicht funktioniert, dann bezahle er in Geschäften für sie. Sie würde ihm dann später seine Ausgaben immer in bar rückerstatten. Dieses Bargeld habe er dann auf sein Konto eingezahlt.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Für sie gibt es zwischen den Bareinzahlungen auf Grassers Konto und Barabhebungen vom Liechtenstein-Konto 400.815, auf das ein Teil der Buwog-Provision geflossen ist, einen Zusammenhang. Das wird als Beweis dafür angeführt, dass das Konto 400.815 in Wahrheit Grasser gehört habe und nicht Walter Meischberger, wie dieser angibt.

Der Masterplan

Grasser erklärte, er habe sich immer wieder gefragt, ob hinter den ganzen Ermittlungen nicht ein "Masterplan meiner politischen Gegner" stehe. Bereits 2003 habe es Berater in der Sozialdemokratie gegeben, deren Rat an die SPÖ gewesen sei, dass man "den Grasser desavouieren muss". Die SPÖ und die Grünen "haben mich massiv angegriffen in dem Ermittlungsverfahren. Sie haben die Ermittlungen immer wieder kommentiert und politischen Druck auf die Ermittler ausgeübt." So habe man einen "Grasser-Skandal" entwickeln wollen.
Am Mittwoch wird die Einvernahme von Grasser fortgesetzt.