"Für mich war es ein Spagat, einerseits eine sehr persönliche Geschichte zu erzählen, andererseits beim Dreh diese Ereignisse, von denen ich erzähle, nicht zu nah an mich rankommen zu lassen", sagt Jessica Krummacher. Die 43-jährige deutsche Regisseurin hat bei der Berlinale mit ihrem Spielfilm "Zum Tod meiner Mutter" für Aufsehen gesorgt, weil der Film vor allem durch seine Intimität besticht. Die Geschichte ist ebenso schlicht wie ergreifend: Die 64-jährige Kerstin (Elsie de Brauw) ist schwer krank und wartet auf das Sterben. Ihre Tochter Juliane (Birte Schnöink) leidet mit ihr und unter dieser unvorstellbaren Last eines kurz bevorstehenden Abschieds. Der junge Arzt, den Juliane konsultiert, ist zwar persönlich der Meinung, jeder habe das Recht, über den eigenen Tod zu bestimmen, weist sie aber darauf hin, dass Sterbehilfe in Deutschland immer noch verboten ist, zumal in dem katholischen Pflegeheim, in dem Kerstin untergebracht ist.
Immer mehr Weggefährten kommen, um sich von Kerstin zu verabschieden, was Julianes aufkommende Trauer rasant verstärkt. Gefilmt ist das alles bloß mit Handkamera (einnehmend geführt vom Österreicher Gerald Kerkletz), die einen in den Seelenzustand der hilflosen Tochter mitnimmt.
"Für mich und mein Team war die Arbeit an dem Film nicht einfach", erzählt Regisseurin Krummacher im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" in Berlin. "Das Thema Sterbehilfe ist aber nur ein Teilaspekt des Films, und als meine Mutter seinerzeit im Sterben lag, da gab es auch von ihr Überlegungen, ob man in die Schweiz fahren sollte", so Krummacher. "Aber mir ging es bei diesem Film vor allem darum, das Sterben als Akt des Abschiednehmens zu zeigen". Dabei steht für Krummacher aber niemals die Dramatisierung des Leids im Mittelpunkt, sondern eher die kleinen Gesten des Alltags, Blicke, Gefühle, für die man sich nie genug Zeit genommen hat im Leben, die aber in der Phase einer schweren Krankheit immens an Wichtigkeit gewinnen.

Regisseurin Jessica Krummacher.
- © BerlinaleFür die aus Bochum stammende Regisseurin, die mit ihrem Film "Totem" (2012) bekannt wurde, war der entscheidende Faktor zur Umsetzung von "Zum Tod meiner Mutter" die Besetzung. "Ich bin jemand, der sehr gerne auf die Fähigkeiten von Schauspielerinnen zurückgreift, die üblicherweise am Theater tätig sind und nicht vorwiegend im Film", so Krummacher. Das Vorurteil, Theaterschauspieler würden zu viel Theatralik in den Film mitbringen, sei falsch. "Es stellt sich heraus, dass sie sehr genau arbeiten und dass diese Genauigkeit meinen Filmen guttut", sagt Krummacher, für die es auch als Regisseurin kaum Vorbilder beim Film gibt: "Das klingt vielleicht eigen, aber auch die größte Inspiration für meine Filme kommen vom Theater".
Krummachers "Zum Tod meiner Mutter", der im Berlinale-Wettbewerb "Encounters" Premiere feierte, hat jedenfalls überzeugt: Durch einfühlsame, stille Tiefgründigkeit.