Manchmal führt der Zufall Regie, und eines fügt sich ins andere, wie es die beste PR-Agentur sich nicht ausdenken könnte. So etwa bei der Verfilmung von Marc Elsbergs Bestseller "Blackout" aus dem Jahr 2012 über die Folgen eines zweiwöchigen Stromausfalls in Europa, der nun, ein knappes Jahrzehnt später, als sechsteilige Miniserie mit Marie Leuenberger und Moritz Bleibtreu beim deutschen Streaming-Kanal Joyn gestartet ist - zeitgleich zum Serienstart ist eine mediale Debatte um die Gefahr von Stromausfällen aufgeflammt.
Und just eine Woche vor dem Start der zweiten Elsberg-Verfilmung "Zero" - in dem Thriller aus dem Jahr 2014 geht es um Big Data und Soziale Netzwerke - ist Facebook durch ein Leak ins Gerede gekommen und liefert nun unfreiwillig eine Steilvorlage für den WDR-Thriller mit Heike Makatsch, Sabin Tambrea und Axel Stein, der ab 28. Oktober in der ARD-Mediathek verfügbar ist, ehe er am 3. November um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird. Beide Fertigstellungstermine waren aber keine Absicht, betont Marc Elsberg - hinter dem Pseudonym steht der 54-jährige Wiener Marcus Rafelsberger - im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
"Wiener Zeitung": Überrascht Sie die aktuelle Blackout-Debatte?
Marc Elsberg: Es wird ja schon seit Jahren darüber diskutiert. Und in Österreich kommt man jetzt Gottseidank drauf, dass man in manchen Bereichen nicht entsprechend gerüstet ist, wo man bisher meinte, man wäre gerüstet, zum Beispiel beim Bundesheer. Jemand wie ich, der dazu recherchiert hat, oder der Blackout-Experte Herbert Saurugg, der auch noch Ex-Militär ist, wir unterhalten uns ja schon seit Jahren darüber. Man wusste, dass es Kasernen gibt, die in einer solchen Situation nicht einmal selbstversorgungsfähig wären. Es ist ja grundsätzlich nicht schlecht, sich damit zu beschäftigen, dass die Vorbereitung bei weitem nicht ausreicht, und zwar überall.

Wie real ist die Gefahr?
Es wird immer schwieriger, die Netze stabil zu halten, aus verschiedenen Gründen. Die Netzbetreiber müssen immer öfter eingreifen, aber bis jetzt gelingt das immer. Auch Anfang des Jahres, als es wirklich den Zerfall in zwei Blöcke in Europa gab, von dem aber die breite Bevölkerung nichts gespürt hat. Nur wird es halt immer schwieriger. Ende des Jahres gehen in Deutschland ein paar große Kraftwerke vom Netz, das macht es auch nicht einfacher. All das zusammen lässt das Risiko nicht gerade sinken, dass irgendwas passieren könnte. Das muss aber nicht gleich ein großer Blackout sein. Wir hatten ja schon im November 2006 stundenlange inselförmige Stromausfälle in Teilen Westeuropas. Dann ist die Frage: Kann man das rechtzeitig wieder einfangen oder tritt das Worst-Case-Szenario ein, dass es eskaliert? Im Buch wollte ich das komplett zeigen, quasi zurück in die Steinzeit. Da dauert der Blackout aber auch zwei Wochen - in der Realität wären es eher ein paar Stunden, vielleicht in manchen Regionen ein paar Tage, sofern die Ursache eine natürliche ist und nicht ein vorsätzlicher Angriff aufs Stromnetz. Aber schon das ist schlimm genug, weil wir wissen, dass nach zwei Tagen das allermeiste komplett weg wäre, inklusive Krankenhäuser, die komplette Kommunikation, Nahrungsmittelversorgung . . . Und es ist ja nicht vorbei, wenn es vorbei ist. Denn abrupte Stromabschaltungen können etwa in der Industrieproduktion schwere Schäden anrichten, deren Behebung lange dauern kann.
Ist die Angst vor Blackouts ein Argument gegen die Energiewende?
Nein. Wir müssen auf jeden Fall weg von den fossilen Energieträgern. Die Frage ist nur, wie wir das managen. Das Problem ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren nicht synchron mit dem Ausbau von Netzen und Speicherkapazitäten läuft. Aber irgendwann werden wir das hoffentlich hinbekommen.
Müssten Sie "Blackout" heute anders schreiben als 2012?
Nicht wesentlich. Vielleicht würde ich ein paar Details ändern und die schlecht gemanagte Energiewende in Deutschland einbauen. Aber das Szenario wäre dasselbe. Wir sind heute nicht wesentlich besser darauf vorbereitet als Gesellschaft.
Die "Zero"-Verfilmung fällt mit einem Leak zusammen, laut dem der Facebook-Konzern zu wenig gegen schädliche Inhalte unternimmt.
Das war damals schon beim Buch so. Damals hat Facebook in der Woche des Erscheinens bekanntgegeben, dass sie ähnliche Versuche angestellt haben, wie ich sie in "Zero" beschreibe. Da bekamen 800.000 User unterschiedliche Timelines angezeigt, die Hälfte eher negative und die andere eher positive, und das hat tatsächlich deren Postings in die eine oder andere Richtung sichtbar beeinflusst. Für die Verfilmung wurde es ein bisschen mehr in die Gegenwart und Zukunft geholt mit Datenbrillen, Avataren und KI - alles Themen, die auch Facebook gerade forciert. Ich stecke nicht dahinter (lacht).

Aber diese ganzen Hypes wie zum Beispiel VR-Brillen scheinen auch wieder eingeschlafen zu sein. Bei aller Digitalisierung ist das Nutzungsverhalten selbst dann doch wieder recht old school.
Es geht nicht ganz so schnell, wie man sich das gedacht hat. Aber vielleicht fehlt auch nur jeweils die Killer-Applikation, mit der es dann womöglich ganz schnell geht. Man denke nur daran, wie schnell sich plötzlich Smartphones durchgesetzt haben.
Ist Facebook nun gut oder böse?
Das Facebook, das wir heute haben und kennen, ist eher böse. Aber grundsätzlich finde ich die Idee von Tools, mit denen sich Leute in der ganzen Welt vernetzen können, nicht schlecht. Die Frage ist halt, wie man sie gestaltet und in wessen Händen sie sind.
Ohne Facebook wüssten wir vielleicht auch nicht, wie es etwa in Myanmar zugeht.
Wobei wir gerade aus Myanmar auch wissen, dass Facebook seinen Teil dazu beigetragen hat, dass es dort so abgegangen ist. Weil Hassnachrichten multipliziert wurden und die Mechanismen, die negative Nachrichten pushen, die Emotionalität bis zu einem gewissen Grad befeuert und somit zur Eskalation beigetragen haben. Aber für mich ist das kein neues Geschäftsmodell. Es sind die großen Boulevardmedien der digitalen Gegenwart, und statt Reportern produzieren die User selbst die Inhalte. Sie sind also auch Arbeiter - und mit ihren Daten zugleich die Ware. Aber letztlich geht es darum, Affektaffirmation zu produzieren, um möglichst viel Werbeplatz verkaufen zu können. Allerdings ist Facebook bei uns im Westen ja eher ein Spielzeug und auf dem absteigenden Ast. Die Jungen sind schon woanders, und wenn es die nicht mehr kriegt, wird es mit seinen alternden Usern aussterben. In anderen Teilen der Welt hat es eine völlig andere Bedeutung. Da ist es fast ein bisschen wie für uns AOL vor zwei Jahrzehnten, das damals gleichbedeutend mit Internet und digitaler Kommunikation war.
Elon Musk steht mit Internet-Satelliten am Start. Man tut sich schwer, in der Branche an einen gewissen Altruismus zu glauben . . .
Naja, es ist aber auch verständlich. Irgendwer muss es ja bezahlen. Und nachdem die User nicht dazu bereit sind - jedenfalls nicht mit Geld, dafür zahlen sie halt mit ihren Daten -, muss es sich über Werbung finanzieren. Und dann kommt halt so was dabei heraus.
Jugend und Soziale Medien: Macht Ihnen dieses Thema Sorgen?
Hier bestehen reale Gefahren, da gibt es Studien, wie etwa die eigene Körperwahrnehmung geprägt wird - aber auch das ist kein neues Phänomen, vor dreißig Jahren war es die TV-Werbung oder die "Bravo". Die Kanäle sind andere als früher, und die Skalierung ist globaler, aber die Mechanismen an sich sind keine neuen, und die werden auch nicht so schell aufhören. Was mich immer wieder überrascht, ist die - mit wenigen Ausnahmen - Blauäugigkeit und Inkompetenz der sogenannten Digital Natives im Umgang mit diesen Medien. Das ist wirklich erschreckend. Aber im Grunde passieren in den Sozialen Netzwerken Dinge, die auch im realen Leben passieren. Jetzt kann man halt gleich damit die halbe Welt erreichen.