Brüssel/London. In einer ersten offiziellen Stellungnahme stellte der EU-Brexit-Chefunterhändler, Michel Barnier, das 585 Seiten lange Dokument für eine Austrittsvereinbarung der Öffentlichkeit vor.

 Barnier hat die Zustimmung der britischen Regierung zum Entwurf für den Ausstiegsvertrag mit der EU als Meilenstein gewürdigt. Das Abkommen sei der entscheidende Schritt hin zu einer erfolgreichen Beendigung der Verhandlungen, sagte Barnier am Mittwochabend in Brüssel. "Wir haben einen großen Schritt auf einen geordneten Rückzug (Großbritanniens) gemacht", sagte Barnier.

Das Abkommen bringe auch die notwendige Rechtssicherheit für alle Beteiligten über die Konsequenzen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Barnier gab bekannt, dass die Übergangsphase bis zur vollen Wirksamkeit des Brexits "für einen begrenzte Zeitraum" verlängert werden kann.

Die britische Regierung hatte zuvor am Abend den Weg für einen geordneten Ausstieg Großbritanniens aus der EU freigemacht. Das Kabinett nahm nach Angaben von Premierministerin Theresa May den Entwurf für einen Ausstiegsvertrag mit der EU an. Unterhändler beider Seiten hatten sich zuvor auf eine vorläufige Version des Abkommens geeinigt, das die Grundlagen für den Rückzug des Landes aus der EU im März 2019 legt.

Umstritten war bis zuletzt die Frage, wie sich nach dem Brexit Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und der Republik vermeiden lassen.

Keine "harte Grenze" zwischen Nordirland und Irland

In den Brexit-Verhandlungen ist für EU-Verhandlungsführer Michel Barnier das Ziel erreicht worden, eine "harte Grenze" mit wiedereingeführten Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland zu verhindern. Ziel sei es, die Frage während der geplanten Übergangsphase bis Ende 2020 nach dem Brexit abschließend zu klären, sagte Barnier am Mittwochabend in Brüssel.

Reiche die Zeit nicht, könne die Übergangsphase "für einen begrenzte Zeitraum" verlängert werden, oder es greife eine Auffanglösung, in der das gesamte Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleibe. Die Nordirland-Frage hatte über Monate einen Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien verhindert.

Die Unterhändler von EU und Großbritannien erzielten dann am Dienstag einen Durchbruch. Das britische Kabinett billigte am Mittwoch nach stundenlangen Beratungen des Verhandlungsergebnisses, das einen "geordneten" Austritt Großbritanniens aus der EU im März 2019 sicherstellen soll.

Barnier sagte, aus seiner Sicht sei "entscheidender Fortschritt" erzielt worden. Dieser ist Voraussetzung für die Einberufung eines Sondergipfels der EU-Staats- und Regierungschefs zum Brexit, auf dem die Vereinbarung gebilligt werden könnte.

Diplomaten zufolge könnte das Treffen am 25. November stattfinden. Einberufen muss es EU-Ratspräsident Donald Tusk. Dieser kündigte an, er werde Barnier am Donnerstag in der Früh (07.50 Uhr) treffen. Beide wollen kurz darauf vor die Presse treten.

Dem Brexit-Vertrag müssen noch die EU-Staats- und Regierungschefs, das Europaparlament und das britische Parlament zustimmen.

Nachdem die britische Regierung nach stundenlangen Beratungen den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt hatte, veröffentlichte die EU-Kommission das Dokument. Die EU-Behörde stellte das 585 Seiten lange Dokument für eine Austrittsvereinbarung am Mittwochabend ins Internet.

Der für die Einberufung von Gipfeln der Staats- und Regierungschefs zuständige EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, er werde Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier am Donnerstag in der Früh treffen. Beide wollen demnach um 08.10 Uhr eine Erklärung abgeben.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sieht die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien fast am Ziel, nachdem das britische Kabinett den Entwurf für das Abkommen gebilligt hat. Er sehe genügend Fortschritt, um die Verhandlungen nun zu beenden, schrieb Juncker am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. EU-Chefverhandler Michel Barnier sprach von einem "entscheidenden Fortschritt".

Kurz hofft auf Zustimmung des britischen Parlaments

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat sich über die Einigung der britischen Regierung zum Brexit-Vertragsentwurf "sehr froh" gezeigt. "Ich hoffe nun auch auf Zustimmung des britischen Parlaments", schrieb Kurz am Mittwochabend auf Twitter. Das Ergebnis sei ein "gutes, denn es garantiert, dass ein Hard-Brexit vermieden" und " es keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird".

Außerdem liefere es eine Basis, um "ein zukünftiges neues Verhältnis" zwischen EU und Großbritannien auszuhandeln. Der Vertragsentwurf werde "nun so schnell wie möglich bei einem Treffen" der EU-Minister der verbleibenden EU-Staaten sowie bei einem Brexit-Sondergipfel "geprüft" werden. In seinem Post bedankte sich der Bundeskanzler auch "ganz herzlich" bei EU-Chefverhandler Michel Barnier für seinen Einsatz.

Deutscher Außenminister Maas: "Klares Signal"

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat die vorläufige Einigung der Verhandlungsführer von Europäischer Union und Großbritannien in den Brexit-Verhandlungen begrüßt. "Das ist eine große Erleichterung. Nach Monaten der Ungewissheit haben wir jetzt endlich ein klares Signal von Großbritannien, wie der Austritt geordnet vonstattengehen könnte", erklärte Maas am Mittwochabend.

Es werde nun aber weiterer Schritte und weiterer Arbeit auf beiden Seiten bedürfen. "Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist und bleibt eine Entscheidung, die wir bedauern. Trotzdem wollen wir auch weiterhin möglichst enge Beziehungen mit unseren britischen Freunden haben", erklärte Maas. Deutschland werde gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten den vorgelegten Text sorgfältig ansehen und dann im Europäischen Rat darüber entscheiden. "Für uns kommt es darauf an, dass die Regeln des Binnenmarkts nicht angetastet werden. Der Binnenmarkt ist eine zentrale Errungenschaft des europäischen Projekts", so Maas.