London/Brüssel. Die Europäische Union und Großbritannien haben sich am Donnerstag auch auf eine politische Erklärung zu ihren künftigen Beziehungen verständigt. Eine entsprechende Vereinbarung sei "auf Ebene der Verhandler" erzielt worden, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel mit. Die Zustimmung der EU-Staats- und Regierungschefs sei noch ausständig. Aus Diplomatenkreisen heißt es, dass Spanien wegen Gibraltar gegen den Entwurf stimmen wird.
Die Übergangsperiode soll nach dem Textentwurf, über den am Donnerstag zunächst die EU-Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten beraten sollten, um ein bis zwei Jahre verlängert werden können. Während dieser Zeit solle Großbritannien ins EU-Budget einzahlen, heißt es. Bei den Fischereirechten wolle man sich bis Juli 2020 einigen. Bis zu diesem Datum soll auch entschieden sein, ob britische Finanzdienstleistungen weiterhin im Rest der EU anerkannt werden.
Außerdem verpflichten sich beide Seiten in der Erklärung darauf, ein "ambitioniertes Zollabkommen" umzusetzen. Der Güterhandel soll so gut wie möglich funktionieren, es sei eine "ehrgeizige" und "tiefe" wirtschaftliche und politische Partnerschaft geplant. So sei die "Schaffung eines Freihandelsgebiets" ohne Zölle, Abgaben und mengenmäßige Beschränkungen das Ziel.
Von der künftigen Regelung der Wirtschaftsbeziehungen ist auch abhängig, ob eine dauerhafte Lösung für die Nordirland-Frage gefunden werden kann. Die EU hat Großbritannien im Austrittsvertrag das Zugeständnis abgerungen, dass Nordirland auf Dauer in einer Zollunion mit der EU bleiben wird, wenn sich beide Seiten nicht auf einen anderen Modus zur Vermeidung einer "harten Grenze" zur Republik Irland einigen können. Dieser Passus ist in Großbritannien besonders umstritten.
Die britische Premierministerin Theresa May wollte um 15.30 Uhr eine Rede vor dem britischen Unterhaus halten. In London hielt sich am Donnerstag auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, der May nach eigenen Angaben den Rücken stärken, sich aber auch ein "realistisches Bild" von den Chancen zur Annahme des Austrittsvertrags durch das Unterhaus in London machen wollte.
Austrittsvertrag und politische Erklärung sollen am Sonntag bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden. Ob dies gelingt, ist noch offen, weil Spanien Bedenken bezüglich der Formulierungen zu Gibraltar angemeldet hat. Anfang Dezember soll dann das britische Unterhaus über den Austrittsvertrag abstimmen. Mays Chancen, das Abkommen durch das Parlament zu bringen, werden als gering eingeschätzt.
Merkel sieht noch Diskussionsbedarf
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht beim Brexit-Vertrag der EU mit Großbritannien noch Diskussionsbedarf. "Wir sind einen Schritt vorangekommen, aber es wird sicherlich noch vieler Diskussionen insbesondere auch in Großbritannien benötigen", sagte Merkel beim Arbeitgebertag am Donnerstag in Berlin. Konkrete Punkte nannte sie nicht.
"Ich werde alles daran setzen, dass wir ein Abkommen hinbekommen", sagte Merkel. "Ein ungeordneter Austritt ist sowohl für die Wirtschaft, aber auch für die mentale Situation unseres zukünftigen Verhältnisses der schlechtestmögliche Weg." Es gehe nun auch darum, dass die 27 verbleibenden EU-Staaten bei den Verhandlungen zusammenhielten, wie das bisher der Fall gewesen sei, sagte sie in Anspielung auf den aktuellen Widerstand Spaniens in der Gibraltar-Frage.
Merkel wies auch darauf hin, dass sich der britische Austritt schwieriger gestalte "als ein fiktiver Austritt eines anderen Mitgliedsstaates". Das liege an der Nordirland-Frage. Ohne dieses Sonderproblem hätte man vermutlich bereits eine Lösung.
Unterhändler der Europäischen Union und Großbritanniens hatten sich vorige Woche auf ein Abkommen zum Brexit am 29. März 2019 geeinigt, das bei einem EU-Sondergipfel am Sonntag offiziell gebilligt werden soll. Bis dahin soll zudem eine "politische Erklärung" von etwa 20 Seiten zu den künftigen Beziehungen beider Seiten ausformuliert sein. EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigte am Donnerstag, dass auf Ebene der Unterhändler eine Einigung auf den Text der Erklärung erzielt worden sei.