London. Mit einem dringenden Appell hat sich jetzt Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon an alle britischen Oppositionsparteien und an die Pro-Europäer im konservativen Lager gewandt. Für Sturgeon ist es beim Brexit allerhöchste Zeit für einen "Plan B".
Bisher, erklärte die Schottin, hätten sich die Gegner einer radikalen britischen Abkoppelung vom Kontinent auf den Widerstand gegen Theresa Mays verquere Austritts-Vorstellungen konzentriert - und auf die Verhinderung eines geradezu katastrophalen Austritts aus der EU ganz ohne Vertrag. Jetzt aber komme es darauf an, nicht dumm dazustehen, falls die Regierungspolitik in wenigen Wochen plötzlich in sich zusammenbrechen werde. Ein gemeinsamer Plan sei nötig, für die Stunde X im Parlament.
"Immer nur zu sagen, dass wir gegen den Deal der Premierministerin sind", meinte Sturgeon, "bringt uns nicht viel weiter. Wir wissen, womit wir nicht einverstanden sind, was uns nicht gefällt. Was jetzt nötig ist, ist Zusammenarbeit in der Frage, was wir für die bessere Alternative halten." Womit, anders gesagt, Mays Brexit ersetzt werden kann.
Und um ihren Worten Taten folgen zu lassen, flog die Chefin der Schottischen Nationalpartei nach London, um sich im Palast von Westminster zu Gesprächen mit Labour-Leuten, Liberaldemokraten, Grünen und walisischen Nationalisten zusammenzusetzen. Auch pro-europäische Tories schloss sie in ihre "Allianz" ein.
Grund für die Initiative Sturgeons war, dass in London gegenwärtig kaum jemand glaubt, dass May ihr mühsam erstrittenes Abkommen mit der EU in diesem Dezember durchs britische Parlament bringt.
Zum Coup in den eigenen Reihen gegen May ist es zwar bislang nicht gekommen. Aber über sechzig Tory-Abgeordnete und die zehn Vertreter der nordirischen Unionisten haben keinen Zweifel daran gelassen, dass sie, wenn es so weit ist, gegen Mays Vereinbarung stimmen werden.
Stilles Kalkül in Downing Street ist in dieser Situation, dass die Angst vor einem Brexit-Ende mit Schrecken genügend Labour- Abgeordnete in letzter Minute noch dazu bewegen wird, den Deal mit der EU zu retten.
Bisher lehnt allerdings auch die Labour Party ihn ab. Und dass eine Unterhaus-Mehrheit ein vertragsloses Ausscheiden, den "Sprung von den Klippen", zulassen würde, ist umso unwahrscheinlicher geworden, je mehr die Tory-Rechte an Terrain verlor.
Was aber wäre, wenn das Parlament den Austrittsvertrag tatsächlich niederstimmen würde? Das ist bisher nicht klar. Eine einheitliche Meinung dazu gibt es nicht. Sturgeon hat schon seit langem dazu geraten, dass London in einem solchen Fall von der EU einen zeitlichen Aufschub erbeten und danach einen simplen Vertrag, mit vollem Verbleib im Binnenmarkt und der Zollunion, aushandeln soll.