London. Theresa May wird zwar nachgesagt, sie mache sich nichts daraus, wenn jemand sie nicht leiden könne. Doch was die britische Premierministerin gleich zu Anfang dieser Woche im Parlament erleben musste, dürfte ihr kaum gefallen haben.

Mehrere Niederlagen im Zusammenhang mit der Debatte über das von ihr befürwortete Brexit-Abkommen lassen wenig Gutes für den Dienstag ahnen, an dem mit der Abstimmung über den Deal auch das politische Schicksal der 62-Jährigen besiegelt werden dürfte.

Ohne Austrittsabkommen würde Londons Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und der Zollunion schlagartig am 29. März 2019 enden. In vielen Bereichen droht dann Chaos. Flugzeuge müssten womöglich am Boden bleiben, Waren würden am Zoll feststecken und Reisende in Grenzkontrollen, es könnte zu Engpässen bei Medikamenten in Großbritannien kommen.

Absturz des britischen Pfundes

Die Bank von England rechnet mit einem Absturz des britischen Pfundes bei einem Brexit ohne Abkommen. Es würde demnach um 25 Prozent an Wert verlieren. Auch der Immobilienmarkt würde schwer getroffen. Die Zentralbanker gehen von einem Fall der Hauspreise um 30 Prozent aus.

Die britische Exportwirtschaft würde nach Einschätzung des Kreditversicherers Euler Hermes im ersten Jahr Ausfuhren im Wert von 30 Milliarden Pfund (33,68 Mrd. Euro) verlieren. Auch die Kontinentaleuropäer würden wegen der engen Wirtschaftsbeziehungen getroffen. Für die deutschen Exporteure steht dabei laut Euler Hermes nach einem Chaos-Brexit mit Exporten in der Höhe von acht Milliarden Euro am meisten auf dem Spiel.

Britische Unternehmen "horten" schon jetzt Importware, die sie für ihre Produktion dringend benötigen. Laut Euler Hermes gibt es "Hamsterkäufe wie nach einer Sturmwarnung". Inzwischen sind in Großbritannien aber kaum mehr Lagerflächen zu bekommen, da sich auch Supermärkte und Pharmakonzerne auf Versorgungsengpässe vorbereiten und Lebensmittel und Medikamente auf Vorrat kaufen.

Kritik aus den eigenen Reihen

In den vergangenen Wochen hatte May trotz massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen, begleitet von hochrangigen Rücktritten aus ihrer Regierungsmannschaft, ihre Vorstellungen von einem Brexit durchgesetzt. Seither wiederholt sie gebetsmühlenartig, dass dies der bestmögliche Deal sei und Brüssel Neuverhandlungen ohnehin ausgeschlossen habe. Zudem versucht sie gemeinsam mit ihren wenigen verbliebenen Anhängern den Eindruck zu erwecken, die Briten hätten die Nase voll von den Brexit-Debatten und wollten zweieinhalb Jahre nach dem Referendum endlich in die Zukunft schauen.

Erst das Chaos unmittelbar nach dem Referendum im Juni 2016 hatte May ins Amt gebracht. Die damalige Innenministerin wurde nach dem Abgang von David Cameron von den konservativen Tories zur neuen Regierungschefin gekürt. Eigentlich hätte sie anschließend mit absoluter Mehrheit noch bis 2020 regieren können - aufgrund hervorragender Umfrageergebnisse setzte sie aber Neuwahlen an, um sich ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel zu holen - und scheiterte grandios.

Wird May gestürzt?

Seit 2017 führt May nun eine Minderheitsregierung, die im Parlament auf die Unterstützung der nordirischen Unionisten angewiesen ist. Zwar stimmten die zehn Abgeordneten der Democratic Unionist Party (DUP) meist mit der Regierung, doch für die entscheidende Abstimmung am Dienstag haben sie bereits ihr Nein angekündigt. Einen Sturz Mays wollen die Brexit-Befürworter nach Angaben ihres stellvertretenden Parteichefs Nigel Dobbs aber nicht.

Ob sich May jedoch nach einer Niederlage im Amt wird halten können, ist mehr als fraglich. Bereits einmal warben ihre Gegner in der eigenen Partei für ein Misstrauensvotum, die nötigen 48 Stimmen kamen aber nicht zusammen. Doch diesmal könnte die einflussreiche Parlamentariervereinigung European Research Group (ERG) um Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg mehr Glück haben.

May bleibt unbeeindruckt

Trotz allem bleibt May äußerlich unbeeindruckt. Dass sie tough ist, bewies sie bereits in ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016, in der sie für eine stramme Sicherheitspolitik stand.

Geboren wurde May am 1. Oktober 1956 in eine Pfarrersfamilie in Eastbourne, einer Stadt am Ärmelkanal. Dort verbrachte sie auch ihre Kindheit. Sie studierte Geografie an der Elite-Universität Oxford, wo ihr ihr künftiger Mann Philip Berichten zufolge von der späteren pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto vorgestellt wurde, und arbeitete kurz bei der Bank of England.

Ihre politische Karriere startete May 1986 als Gemeinderätin im vornehmen Londoner Stadtbezirk Merton. Nach zwei gescheiterten Anläufen zog sie 1997 als Abgeordnete ins britische Unterhaus ein - für den wohlhabenden Wahlbezirk Maidenhead im südenglischen Berkshire.

Roboterhafte Tanzeinlage

Von 2002 bis 2003 war May die erste Generalsekretärin der Konservativen. Legendär wurde ihr Ausspruch auf einem Parteitag, die Tories müssten das Image der "fiesen Partei" loswerden.

Sie selbst hat eher einen nüchternen Politikstil, ihr Auftreten und das endlose Wiederholen bestimmter Parolen brachten ihr den Spitznamen "maybot" ein. Dass sie das Roboterhafte nicht ablegen kann, zeigte kürzlich eine Tanzeinlage bei einem Besuch in Afrika. Dass der kommende Dienstag ihr einen Anlass für einen Freudentanz bietet, bleibt zu bezweifeln.