Zwei Mal haben die Abgeordneten des britischen Unterhauses zu Theresa Mays Deal mit der EU schon "Nein" gesagt, zuletzt am Dienstagabend. Die Korrekturen, die die britische Premierministerin in Brüssel erwirken konnte, waren einer Mehrheit der Abgeordneten zu kosmetisch. Die Gefahr, dass Großbritannien über die "Backstop"-Regelung zur Vermeidung einer inneririschen Grenze dauerhaft in der EU-Wirtschaftsunion bleiben muss, ohne mitbestimmen zu können, bleibt bestehen. Zwei Wochen vor dem geplanten Brexit stellt sich die Frage: Ist Mays Deal wirklich tot? Wie könnten alternative Brexit-Szenarien aussehen?
Mays Zermürbungstaktik geht auf
Nicht nur Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärt Mays Deal für tot, auch Brüssel hält eine Wiederbelebung für nicht sinnvoll - und bereitet sich stattdessen auf ein No-Deal-Szenario vor. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte schon vor der Abstimmung etwas grimmig erklärt, dass es "keine dritte Chance geben wird". Es ist dennoch denkbar, dass May, durchaus hartnäckig, in den kommenden Tagen wieder kleine Korrekturen in Brüssel erwirkt und das britische Parlament, das einen No-Deal-Brexit auf keinen Fall will, zähneknirschend zustimmt. Theoretisch möglich, aber unwahrscheinlich ist auch, dass Brüssel den Briten in Sachen "Backstop" so weit entgegenkommt, dass eine Mehrheit der Abgeordneten mit Freude für diesen neuen Deal stimmt.
No-Deal-Brexit: EU-Austritt ohne Abkommen
Kommt es zu keiner Einigung zwischen London und Brüssel, dann schlittert das Königreich automatisch ohne Abkommen aus der EU. Kein Deal würde bedeuten, dass die Beziehungen am 29. März nach 45 Jahren EU-Mitgliedschaft mit einem Schlag gekappt würden. Die Folgen für Wirtschaft und Bürger wären weitreichend, viele Bereiche plötzlich völlig ungeregelt und chaotische Zustände vorprogrammiert. Zwischen der EU und Großbritannien müsste es dann wieder Grenz- und Zollkontrollen geben - auch zwischen Irland und Nordirland. Beide Seiten würden die schlimmsten Folgen über Notverordnungen abfedern. Brüssel hat Pläne in den Schubladen und 14 Bereiche identifiziert, darunter Zoll- und Handelsbestimmungen sowie der Luftverkehr. Briten in der EU und EU-Bürger in Großbritannien sollen ihr Aufenthaltsrecht nicht verlieren. London will in diesem Fall keine Zölle auf eine breite Palette von EU-Waren einheben. Die EU-Kommission hat allerdings angekündigt, sehr wohl Zölle auf britische Waren einzuheben. Das ist nötig, weil Großbritannien nach einem harten Brexit zum Drittstaat wird. Andere Drittstaaten würden es wohl nicht verstehen, wenn britische Waren von Zöllen ausgenommen wären. Im Fall eines No-Deal-Brexit würde Großbritannien wohl in die Rezession schlittern und das Pfund massiv abwerten. Die britische Wirtschaft müsste mit Exporteinbußen von bis zu 30 Milliarden Pfund (34,8 Milliarden Euro) rechnen.