Brüssel/London. Nach der Einigung mit der EU auf eine Brexit-Verschiebung muss die britische Premierministerin Theresa May nun gegen den Widerstand ihres Parlaments kämpfen. Eine Mehrheit für das Abkommen zum EU-Austritt ist weiterhin nicht in Sicht. Britische Medien stuften ihre Chancen am Freitag als gering ein und spekulierten über einen möglichen Rücktritt Mays in den nächsten Wochen oder Monaten.

In der Nacht auf Freitag haben die EU-Staats- und Regierungschefs Großbritannien nach mehrstündigem Ringen eine Verschiebung des bevorstehenden EU-Ausstiegs gewährt - wenn auch eine kurze. Sollte das britische Parlament kommende Woche dem ausgehandelten Austrittsvertrag noch zustimmen, soll es eine Verschiebung des Brexit-Datums bis zum 22. Mai geben, hieß es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels in Brüssel. Sollte das Unterhaus dagegen nicht zustimmen, soll es eine Verlängerung nur bis zum 12. April geben. "Bis zu dem Datum sind alle Optionen möglich, der Sturz in den Abgrund wird verschoben", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Allerdings müsse sich die britische Regierung bis dahin entschließen, ob das Land an der EU-Wahl, die vom 23. bis zum 26. Mai stattfindet, teilnimmt oder nicht. "Wenn bis dahin nicht entschieden wird, fällt die Option einer deutlichen Verlängerung weg", sagte Tusk. May sei über die Konsequenzen informiert und habe dem Plan zugestimmt.

Zwei Mal ist May schon mit ihrem Deal im Unterhaus gescheitert. Unklar ist noch, wann im Parlament zum dritten Mal über das Brexit-Abkommen abgestimmt wird. Nach Angaben eines Parlamentssprechers wird es zunächst am Montagabend eine Debatte über den Brexit-Kurs geben. Parlamentarier haben dann wieder die Möglichkeit, Änderungsanträge zur Beschlussvorlage einzubringen. Sie können so der Regierung eine Richtung vorgeben. Bindend wäre dieser Beschluss aber nicht.

Parlamentarier wenden sich von May ab

Die Verärgerung der Abgeordneten über die Premierministerin nimmt in London zu: May hatte in einer Rede am Mittwochabend ausdrücklich das Parlament für die Verzögerung des EU-Austritts verantwortlich gemacht. "Die Abgeordneten waren unfähig, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts des Vereinigten Königreichs zu einigen", hatte May in ihrer Erklärung gesagt. Britischen Medien zufolge haben sich seitdem weitere Parlamentarier von ihr abgewandt. In Brüssel schlug die Regierungschefin wieder versöhnlichere Töne an.

May muss die Brexit-Hardliner in ihrer eigenen Konservativen Partei, Unentschlossene in der oppositionellen Labour-Partei und die nordirische DUP, auf deren Stimmen ihre Minderheitsregierung angewiesen ist, von ihrem Vorhaben überzeugen. (apa, reuters)