Bristol. Vielen Briten ist äußerst mulmig zumute beim Gedanken an einen No-Deal-Brexit in wenigen Tagen. Noch viel nervöser sind aber ihre Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen aus dem Rest der EU. Falls Großbritannien am 12. April ohne Austrittsabkommen mit Brüssel aus der EU schlittert, werden 3,6 Millionen Bürger aus der EU zu illegalen Einwanderern. Sie werden über Nacht zu "aliens", zu rechtlosen Fremden im Vereinigten Königreich. Niemand garantiert ihnen dann, dass sie weiter in Großbritannien leben und arbeiten dürfen. Sie wissen nicht einmal, ob sie ihren Wohnungen oder Häusern bleiben können.

Zu diesem Schluss ist nun ein Bericht des parlamentarischen "Ausschusses für Menschenrechte" in Westminister gekommen, der alarmiert darauf hinweist, dass bei einem "No Deal" alle Rechte für diesen Bevölkerungsteil erlöschen. Statt sich wie bisher auf das EU-Recht stützen zu können, würden Millionen in
Britannien ansässige EU-Bürger dem britischen Einwanderungsrecht unterliegen. Laut dem Ausschussbericht wären sie "aller Rechte beraubt, ohne dass sie eine Garantie haben, dass diese Rechte durch neue ersetzt werden". Selbst die Iren, die immer Sonderrechte genossen, könnten sich dieser nicht mehr sicher sein.

Plötzlich Migrant

Für Maike Bohn kommt das nicht überraschend. Die deutsche Bildungsberaterin, die mit ihrem britischen Mann in Bristol wohnt, ist empört darüber, dass sich seit der britischen Austrittserklärung vom März 2017 trotz aller Warnungen "im Grunde kaum etwas geändert" hat: "Von Rechts wegen haben wir nicht mehr Sicherheit als vor zwei Jahren." Leider habe auch die EU nicht genug getan, um daran etwas zu ändern: "Wir sind immer noch Verhandlungskapital."

Nicht vergessen hat Bohn auch den "Schock" des Referendums vom Sommer 2016: "Wir hatten ja kein Stimmrecht. Da wurde etwas entschieden, was uns auf einmal zu einer Minderheit machte. Mit einem Mal wurden wir von Europäern, die friedlich hier lebten, zu Migranten, denen ihre angestammten Rechte aberkannt werden sollten."

Bohn findet es "unglaublich", dass damals selbst EU-Bürger, die seit Jahrzehnten hier leben, kein Recht hatten, ihre Zukunft mitzubestimmen. Dagegen waren Zuwanderer aus dem Commonwealth, selbst wenn sie erst kurz vor dem Referendum nach Großbritannien gekommen waren, voll stimmberechtigt bei jenem Volksentscheid.

"Anfangs wussten wir gar nicht, was auf uns zukommt", sagt Bohn. Als die Leute dann aber begriffen, dass sich alles ändern würde, versuchten sich viele in aller Eile über die üblichen 85-Seiten-Anträge für Zuwanderer aus Drittländern zumindest permanentes Aufenthaltrecht zu verschaffen, "um irgend ein Papier in der Hand zu haben".