Brüssel/Wien. Es sind oft einzelne Wörter. Über die wird bei EU-Beratungen oft stunden- bis monatelang gerungen. Das ist bei Ministersitzungen so und bei Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs auch nicht anders. Das Resultat sind immer wieder Formulierungen, die bürokratisch, technisch oder sogar verworren klingen. Dahinter aber stecken die unterschiedlichen Anliegen der Akteure und ein Kompromiss, der dazu gefunden werden musste. Auf einen solchen einigten sich die EU-Spitzenpolitiker erneut in der Nacht auf Donnerstag, als sie den EU-Austritt Großbritanniens nochmals verschoben. Ein Auszug aus dem Gipfel-Schlussdokument - und was die Sätze bedeuten.

"Diese Verlängerung sollte nur so lange wie nötig dauern und keinesfalls über den 31. Oktober 2019 hinausgehen."

Es ist bereits der zweite Brexit-Aufschub, den die 27 EU-Staaten Großbritannien gewähren. Denn die Ängste, die die Vorstellungen von einem harten Bruch auslösen, wiegen schwerer als die Ungeduld der Kontinentaleuropäer mit den Briten. Die Gipfeldebatten kreisten um die Dauer der Verlängerung. Während die britische Premierministerin Theresa May um eine Frist bis 30. Juni gebeten hatte, brachte EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Verschiebung bis Anfang 2020 ins Spiel. Doch manche Länder - unter anderem Österreich - plädierten für einen kürzeren Aufschub. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron warnte sogar vor einer Verlängerung über den 30. Juni hinaus, denn das könnte die EU in Gefahr bringen. Das Datum 31. Oktober ist daher ein typischer EU-Mittelweg: irgendwo zwischen kurzer und langer Verschiebung.

"So lange wie nötig" bedeutet, dass die Briten auch davor die EU verlassen dürfen, falls sie das Austrittsabkommen ratifizieren. Geschieht dies nicht, endet ihre Mitgliedschaft eben mit Oktober. "Keinesfalls" später, ist im Dokument zu lesen. Ob dann automatisch ein harter Brexit folgen würde? Nicht unbedingt. Denn der hätte ja schon zwei Mal stattfinden sollen. Das gilt auch für eine weitere Aussage: dass der Austritt am 1. Juni erfolgt, wenn Großbritannien nicht die EU-Wahl abhält.

Um die dreht sich der nächste Punkt der Gipfelerklärung:

Der Brexit-Aufschub darf "das ordnungsgemäße Funktionieren der Union und ihrer Institutionen nicht beeinträchtigen".

Ende Mai wird eine EU-Institution gewählt: das Europäische Parlament. Damit die Gültigkeit des Votums später nicht angefochten werden kann, muss sich Großbritannien am Urnengang beteiligen, falls es noch EU-Mitglied ist. Davon ist zwar keine der beiden Seiten begeistert. Doch musste May diese Zusage machen, um eine längere Brexit-Frist zu erhalten.