London. Rückt ein zweites Brexit-Referendum näher? Immerhin scheint Premierministerin Theresa May dieses Szenario zu prüfen. Wie der "Daily Telegraph" mit Verweis auf Insider berichtet, berät May mit ihren Ministern über die Möglichkeit, das Volk noch einmal zu befragen. Bei einem zweiten Referendum hätten die Wähler die Option zwischen einem EU-Austritt mit dem Deal der Premierministerin, einem ungeordneten No-Deal-Brexit oder einem Verbleib in der EU. Das gelte aber nur, falls die Gespräche mit der oppositionellen Labour Party scheitern und eine Mehrheit im Parlament den Vorschlag nach einem Referendum unterstützt.
Offiziell war May immer gegen eine erneute Volksbefragung gewesen. Es habe keine Gespräche über diese Option gegeben, hieß es auch am Montag nach dem Zeitungsbericht aus ihrem Kabinett. Sollten die Gespräche mit Labour scheitern, wolle die Tory-Chefin das Parlament noch einmal über die Brexit-Alternativen abstimmen lassen. Um welche Vorschläge es sich dabei handeln soll, ist unklar. Am knappsten war beim letzten Mal die Abstimmung über einen dauerhaften Verbleib in der Zollunion der EU ausgegangen. Auf eine Mehrheit hatten lediglich drei Stimmen gefehlt.
Wollen Wähler
einen raschen Brexit?
Mays Plan B, sollte er tatsächlich existieren, ist wohl die Folge einer weiteren Niederlage der Konservativen. Mehr als 1330 Sitze haben die Tories bei den englischen Lokalwahlen vergangene Woche verloren. Labour hat davon nicht profitiert, sondern selbst 83 Stellen eingebüßt. Im Wahlergebnis sehen die beiden Großparteien den Wunsch der Wähler, den Brexit endlich durchzuziehen. "Lassen Sie uns ein Geschäft abschließen", schrieb May im "The Mail on Sunday". Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte sie auf, "auf die Wähler zu hören und unsere Differenzen für einen Augenblick zur Seite zu legen". Die Botschaft laut May: "Weitermachen und Brexit liefern". Corbyn sieht das ähnlich: "Wir brauchen einen Deal, das Parlament muss das Problem lösen", sagte er am Freitag.
Die Wahlschlappe als Wunsch nach einem raschen EU-Austritt zu interpretieren ist eine äußerst interessante Auslegung. Immerhin haben just jene proeuropäische Parteien dazugewonnen, die den Brexit ganz abblasen wollen. Doch das passt weder den Konservativen noch den Sozialdemokraten ins Konzept. Mit Verweis auf das Referendum von 2016, in dem 52 Prozent für den EU-Austritt gestimmt hatten, wollen sie den Willen der Wähler nun schnellstmöglich durchziehen - um sich dann auf die Fahnen schreiben zu können, das Desaster abgewandt und die Demokratie hochgehalten zu haben. Das gilt auch für Corbyn: Der Labour-Chef weigert sich beharrlich, der Forderung seiner Parteibasis nach einem zweiten Referendum nachzukommen.