Die Briten nehmen also fix an den Europawahlen teil. Wieso eigentlich?

Weil die britische Premierministerin mit der EU vereinbart hat, den Brexit auf den 31. Oktober zu verschieben. Um noch vor den Wahlen Ende Mai auszutreten, hätte Theresa May ihr Abkommen mit Brüssel noch durchs Parlament in London bringen müssen. Doch eine Mehrheit dafür ist nicht in Sicht und die Zeit wird ohnehin knapp. Den Briten bleibt also nichts anderes übrig, als am europäischen Urnengang teilzunehmen.

Werden die britischen Abgeordneten ihre Sitze überhaupt einnehmen?

Der Regierung in London wäre es am liebsten, wenn sie ihre Mandate gar nicht erst antreten müssten. Dafür müsste der Brexit aber bis Ende Juni vollzogen sein. Geschieht das nicht, könnten viele britische Abgeordnete durchaus im Parlament erscheinen. "Das EU-Lager wird wohl ein Signal setzen wollen und auch die Brexiteers werden diese Bühne noch einmal für ihre Interessen nutzen", sagt Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Centre".

Wer gewinnt durch die Teilnahme der Briten, wem schadet sie?

In Großbritannien wird Umfragen zufolge die neue Brexit-Partei von Ex-Ukip-Chef Nigel Farage als Sieger aus den Europawahlen hervorgehen. Die britischen Nationalisten stärken das rechtspopulistische Lager im Europaparlament, die Fraktion der Sozialdemokraten wird mit den Labour-Abgeordneten voraussichtlich rund 20 Sitze dazugewinnen. Nur einer hat gar nichts davon: Manfred Weber, der Spitzenkandidat der EVP. Die Konservativen könnten durch die Teilhabe der Briten nur noch knapp vorne liegen (die Tories gehören zur EU-skeptischen Fraktion der EKR). "Im Vergleich zu vor fünf Jahren wird alles viel komplizierter", sagt Emmanouilidis. "Die EVP wird geschwächt - und damit auch ihr Anspruch auf die Führungspositionen in der EU."

Die EU-Skeptiker würden aber auch ohne die Briten dazugewinnen, weil antieuropäische Kräfte in vielen Mitgliedstaaten Zulauf bekommen. "Sie werden aber weder eine Mehrheit bilden noch Mehrheiten verhindern können", sagt Emmanouilidis. Der Politologe geht davon aus, dass das Europaparlament nach den Wahlen fragmentierter wird. "Seine strategische Rolle innerhalb der EU wird noch schwächer".

Was bedeutet das für die Verteilung der Mandate?

Die Teilnahme der Briten an den Wahlen verhindert zuerst einmal die Verkleinerung des Parlaments. Eigentlich hätten die Sitze von derzeit 751 auf 705 reduziert werden sollen. Diese Reform kann erst nach dem Brexit kommen. Bis dahin hat Großbritannien 73 Sitze im Europaparlament (Österreich: 18). Von ihnen sind 27 bereits auf andere Länder verteilt worden - auch Österreich darf nach dem Brexit einen Abgeordneten mehr nach Brüssel schicken. Bleiben die Briten aber über die erste Sitzung am 2. Juli hinaus in der EU, können die zusätzlichen Abgeordneten aus anderen Ländern ihr Mandat erst nach dem Brexit antreten. Zudem können die Briten dann im Juli mitbestimmen, wer neuer EU-Kommissionspräsident wird.