London/Wien. Er war haushoher Favorit und hat schließlich klar gewonnen: Der umstrittene Tory-Politiker Boris Johnson wird neuer Parteichef und damit automatisch neuer britischer Premier. Am Mittwoch erfolgt die Amtsübergabe, dann wird die Queen Johnson mit der Bildung einer Regierung beauftragen.
Der 55-Jährige beerbt seine glücklose Vorgängerin Theresa May und wird das leidige Thema Brexit auf die eine oder andere Weise zu lösen haben. Ob mit oder ohne Austrittsvertrag, das ist die Frage. Auf alle Fälle soll die Angelegenheit bis zum 31. Oktober bereinigt sein, keinen Tag später, wie Johnson knapp nach seiner Kür bestätigt.
Johnson musste ein kompliziertes innerparteiliches Auswahlverfahren durchlaufen, bis er schließlich an die Parteispitze kam. Das Finale wurde zwischen ihm und Außenminister Jeremy Hunt ausgetragen, 160.000 Parteimitglieder hatten das letzte Wort.
Der große Einiger?
Dienstag Mittag dann die Entscheidung: Alles, was bei den britischen Konservativen Rang und Namen hatte, versammelte sich in London, um dem "Leadership Announcment 2019" beizuwohnen. Auch vor dem britischen Parlament versammelten sich Brexit-Gegner und Befürworter eines Austritts, um Stimmung zu machen. Um 11.40 Ortszeit sollte das Ergebnis bekannt gegeben werden, die Geduld der Parteigranden wurde strapaziert, geraume Zeit mussten sie auf ein leeres Rednerpult oder auf ihr Smartphone starren.
Um 12.00 war es soweit. Brandon Lewis, Parteivorsitzender der Tories, betrat die Bühne. Er beschwor die Einheit der Partei "zum Wohle des Landes" und bat die versammelten Konservativen, zum nächsten Premier netter zu sein als zu Theresa May. Dann betraten die Kontrahenten, Jeremy Hunt und Boris Johnson, den Saal. Schließlich wurde verkündet, womit alle gerechnet hatten. Johnson erhielt 45.000 Stimmen mehr als Hunt. Er ist er neue Parteichef und damit neuer Premier.
Er sei es, der Partei und Land einen könne, meinte Johnson in seiner ersten Ansprache als Parteichef. Er sei es, der die, die weiterhin ein gutes Verhältnis zur EU haben wollten, mit denen versöhnen könne, die möglichst rasch und schmerzlos austreten wollten. Johnson betonte einmal mehr, dass er den Brexit bis zum 31. Oktober über die Bühne bringen wolle. Und: "Wir werden das ganze Land mit neuer Energie erfüllen.
Beobachter kritisierten, dass Johnson bis dato keine neuen Ideen präsentiert habe, wie denn die chronische Pattsituation um den Brexit aufgelöst werden könnte. Zudem sei es der 55-Jährige selbst gewesen, der maßgeblich geholfen habe, Großbritannien die verfahrene Lage hineinzumanövrieren. Der so exzentrische wie ehrgeizige Politiker hat sich in der Tat erst einige Monate vor der Brexit-Abstimmung 2016 für das "Leave"-Lager entschieden und mit der Verbreitung von Unwahrheiten Stimmung gemacht.